Wie viel Akzeptanz verträgt die Energiewende?

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Redaktion

Stiftung Energie & Klimaschutz
11. Juli 2016
Stiftung Energie und Klimaschutz, Energiewende

Die Stiftung Energie & Klimaschutz Baden-Württemberg lädt ein zum Debattenabend. Diskussionsgegenstand bei der Veranstaltung in der kommenden Woche wird die Akzeptanz der Energiewende sein. Die Demoskopie ermittelt immer wieder, dass die Energiewende von einer breiten Zustimmung in der Bevölkerung getragen wird. Offensichtlich hilft das aber nicht, wenn es um Projekte wie den Netzausbau oder die Errichtung von Anlagen vor Ort geht. Energiewende und Demokratie: Das Thema des Debattenabends beschäftigt den Nachhaltigkeitsforscher Prof. Ortwin Renn, Leiter des IASS in Potsdam, schon seit langem. Er wird beim Debattenabend mit diskutieren und stand uns vorab für ein Interview zur Verfügung.

DEZ-Redaktion: Herr Prof. Renn, am Tag unseres Gesprächs passiert die Novelle des EEG Bundestag und Bundesrat. Sind sie zufrieden mit der neuen Fassung dieses für die Energiewende so entscheidenden Gesetzes?
Prof. Renn: Wie immer gibt es bei so komplexen Gesetzen Licht und Schatten. Als positiv bewerte ich den Versuch, die Energiewende zu synchronisieren. Wir brauchen den systemischen Der Leiter des IASS in Potsdam, Prof. Renn, sprach mit dem Blog über Akzeptanz und die Kommunikation der Energiewende. Ausgleich zwischen dem Ausbau der Erneuerbaren, dem Netzausbau und den Möglichkeiten Energie zu speichern und intelligent zu puffern. Zu begrüßen ist, dass mit der Umverteilung von Arm nach Reich Schluss gemacht wird. In Zeiten, in denen die Sparer Null-Prozent-Zinsen bekommen, ist es sozial nicht in Ordnung, wenn Hausbesitzer eine feste Rendite über 20 Jahre erhalten, wenn sie eine Solaranlage bauen. Nicht zu verstehen ist der nun fest geschriebene Zwang zur Ausschreibung beim Bau von neuen Anlagen (Auktion). International sind die Erfahrungen mit ähnlichen Regeln schlecht. Warum soll das nun in Deutschland besser werden?
Gewünscht hätte ich mir in der EEG-Novelle Vereinfachungen, die den Trend zur Deckung des Eigenbedarfs und das Entstehen lokaler Energiemärkte erleichtert hätten. Autarkiebestrebungen, Nachbarschafts- und Mieterstrommodelle können zur Netzentlastung beitragen, scheitern derzeit aber an der Überregulierung.

DEZ-Redaktion: Statt am Beschluss von Paris orientierte sich die Debatte im Kabinett bei der EEG-Novelle am Zahlenwerk des Koalitionsvertrages. Warum blieb der Klimaschutz außen vor?
Prof. Renn: Die Politik hat noch Bedarf abzuwarten, was der Beschluss von Paris genau bedeutet. Zwar wissen alle, dass das 1,5 Grad Ziel nur mit dem Kohleausstieg zu realisieren sein wird. Eine Umsetzung liegt aber derzeit nicht im Kalkül des zuständigen Wirtschafts- und Energieministers.

DEZ-Redaktion: Bei der Energiewende und beim Klimaschutz könnte entschlossenes Handeln doch durchaus im politischen Kalkül liegen – immerhin befürwortet eine große Mehrheit Energiewende und Klimaschutz.
Prof. Renn: Die Zustimmung von 79 Prozent ist eine abstrakte Zustimmung. Das heißt nicht, dass die Menschen auch konkrete Maßnahmen billigen, insbesondere dann nicht, wenn sie mit hohen Kosten verbunden sind. Ich erinnere an den Beschluss der Grünen, die einen Preis von fünf Mark für den Liter Benzin für politisch opportun hielten. Die Grünen mussten lernen, dass die abstrakte Zustimmung zum Umweltschutz sehr wenig darüber aussagt, was bei den Wählerinnen und Wählern an konkreten Maßnahmen Unterstützung findet.

DEZ-Redaktion: Ihr großes Forschungsthema ist unser Umgang mit Risiken. Für den Umgang mit einem Risiko wie dem Klimawandel sind wir von der Natur nicht gut genug ausgestattet wird. Wäre es nicht Aufgabe der Politik, das Risiko Klimawandel kommunikativ zu übersetzen?
Prof. Ortwin Renn, Nachhaltigkeitsforscher am IASS in Potsdam.
Prof. Renn: Für solche Risiken, die schleichend kommen und dann plötzlich umschlagen, sind wir intuitiv nicht gut gerüstet. Wir Menschen lernen eher durch trial and error – beim Klimawandel wäre das keine gute Strategie. Und in einer Demokratie macht eine schleichende Bedrohung proaktives Handeln doppelt schwer: Die Politik muss vorab auf der Grundlage theoretischer Erkenntnisse von den Menschen Opfer verlangen, um die Eintrittwahrscheinlichkeit eines schädlichen Ereignisses zu minimieren. Wenn das Ereignis am Ende nicht kommt, weiß man nicht, ob das Opfer ursächlich für das Ausbleiben war. Vielleicht wäre das erwartete Ereignis auch bei Untätigkeit ausgeblieben? Vorsorgende Maßnahmen sind selten populär.

DEZ-Redaktion: Energiewende und Klimawandel eignen sich demnach nicht als Themen für die politische Profilierung.
Prof. Renn: Es gibt ja immer wieder Versuche, die positiven Seiten der Entwicklung über zu betonen und die Zukunft in rosigen Farben zu malen. Das ist kommunikativ keine gute Lösung. Wenn eines oder mehrere Versprechen nicht eingelöst werden, fällt das ganze Kartenhaus zusammen und die Politik hat wieder ein Stück Glaubwürdigkeit verspielt. Eine ehrliche Kommunikation, die immer wieder auch die Konflikte erklärt, wird auf Dauer glaubwürdiger sein. Denn auch für die Energiewende gilt: Alle Transformationsprozesse sind schmerzhaft, sie verlangen Opfer und produzieren Gewinner wie auch Verlierer. Zu einer sozialverträglichen Politik gehört natürlich darüber nachzudenken, wie man schmerzhafte Übergange auch für potenzielle Verlierer fair gestaltet, aber Probleme zu leugnen hat noch nie genützt.
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Der Debatten-Abend der Stiftung Energie & Klimaschutz

„Wie viel Akzeptanz verträgt die Energiewende?“

findet statt am Mittwoch, den 20. Juli 2016 ab18:30 Uhr.

Ablauf:

Begrüßung durch Holger Schäfer, Sprecher des Vorstands der Stiftung Energie & Klimaschutz Baden-Württemberg

Impulsvorträge

Danach Podiumsdiskussion unter der Moderation von Klaus Jancovius.

Für die Leserinnen und Leser dieses Blogs sind noch einige wenige Plätze bis Dienstag, 12. Juli reserviert. Bitte melden Sie Ihre Teilnahme an per Mail: energieundklimaschutzBW@enbw.com

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