Anforderungen für die Stilllegung von Atomkraftwerken

Gastautor Portrait

Wolfgang Neumann

Intac GmbH

Der Ingenieur und Diplom-Physiker Wolfgang Neumann arbeitet seidt 1988 bei der intac GmbH in Hannover. Er berät als Gutachter Behörden, Ministerien, Parlamentsmitglieder, Firmen, Umweltschutzverbände, Bürgerinitiativen und Privatpersonen bei den Themen Ver- und Entsorgung sowie Stilllegung von Atoman-lagen (einschl. der Endlagerung radioaktiver Abfälle), Transporte gefährlicher Güter und Strahlenschutz. Zu diesen Themen hat Wolfgang Neumann auch in Ausschüssen verschiedener Kommissionen des Niedersächsischen und des Bundesumweltministeriums sowie des BUND e.V. mitgearbeitet.

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08. September 2014

Wie jede technische Anlage altern auch Atomkraftwerke und können nicht mehr auf den aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik nachgerüstet werden. Es folgt die Stilllegung. Der Zeitpunkt hierfür wurde für die deutschen Kraftwerke im Atomgesetz von 2002 schon einmal festgelegt und nach dessen Aufhebung durch die Katastrophe im japanischen Fukushima erneut auf die Tagesordnung gesetzt.

Ein Atomkraftwerk besitzt nach der Abschaltung und der Entfernung aller Brennele­mente aus der Anlage immer noch ein Radioaktivitätsinventar von ca. 1017 Bq. Deshalb sind zur Vermeidung unnötiger Strahlenbelastungen bei Stilllegungsmaßnahmen und ggf. nach Störfällen weiterhin hohe Sicherheitsan­forderungen zu erfüllen.

Für die Stilllegung von Atomkraftwerken werden in der Bundesrepublik Deutschland zwei Konzepte angewendet, der „Schnelle Abbau“ und der „Sichere Einschluss“ (Isolierung des Kontrollbereichs von der Umwelt für einen bestimmten Zeitraum bevor der Abbau erfolgt). Beide Konzepte haben Vor- und Nachteile. Welche Strategie angewendet wird, sollte unter Berücksichtigung des Minimierungsgebotes der Strahlenschutzverordnung anhand von Kriterien entschieden werden. Dabei wären u.a. die Betriebsgeschichte der Anlage, der Untergrund, Einzel- oder Doppelblockanlage, das Entsorgungskonzept und die Verfügbarkeit eines Endlagers zu berücksichtigen. Die auf dieser Grundlage vom Betreiber der Anlage vorgenommene Konzeptauswahl sollte von der Genehmigungsbehörde im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung überprüft werden. Kernkraft Rueckbau EnBW Obrigheim Vorbereitung Dekontamination

Wird als Konzept der „Schnelle Abbau“ festgelegt, ist dies mit der nötigen Sorgfalt, aber zügig durchzuführen. Eine Abklinglagerung von größeren Komponenten, bis sie nicht mehr als radioaktiver Abfall beseitigt werden müssen, widerspricht dem Ziel des schnellen Abbaus. Unabhängig vom Konzept zur Stilllegung ist für deren Durchführung und den Verbleib der Abfälle das Verursacherprinzip anzuwenden. Vom Staat ist dafür Vorsorge zu treffen, dass die vom Betreiber dafür zur Verfügung zu stellenden finanziellen Mittel zu jedem Zeitpunkt auch tatsächlich vorhanden sind.

Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens für Stilllegung und Abbau muss die konkrete Vorgehensweise diskutiert und festgelegt werden. Beispielsweise darf die Zerlegung (im ein- oder ausgebauten Zustand, mit welcher Methode bei welchen Strahlenschutzmaßnahmen) nicht erst im Aufsichtsverfahren geregelt werden.

Als Grundlage für die Planung der Abbauschritte (Reihenfolge, Abbaumethoden usw.) bedarf es einer detaillierten radiologischen Charakterisierung der gesamten Anlage. Solange sich noch Brennelemente in der Anlage befinden, ist dies für den Kontrollbereich nur teilweise möglich. Mit Brennelementen ist weder eine Abbauplanung noch eine Durchführung des Abbaus im Kontrollbereich möglich, durch die die Minimierung der Strahlenbelastungen für die Beschäftigten beim Abbau oder für die Umgebung im Falle von Störfällen gewährleistet wird.

Bei Stilllegung und Abbau fallen in größerem Umfang radioaktive Ab­fälle an. Die Konditionierung und Zwischenlagerung dieser Abfälle sollte zur Vermeidung unnötiger Strahlenbelastungen durch zusätzlichen Umgang und Transport soweit wie möglich am Standort durchgeführt werden. Dadurch wird auch die Abhängigkeit von externen Entsorgungsmöglichkeiten vermieden.
Kernkraft Rueckbau EnBW Obrigheim Leitstand fernbediente ZerlegungDie bei der Stilllegung anfallenden gering radioaktiven Stoffe werden in der Bundesrepublik Deutschland aus dem Zuständigkeitsbereich von Atomgesetz und Strah­lenschutzverordnung in den konventionellen Bereich „freigegeben“. Der Verbleib dieser Stoffe erfolgt gegenwärtig nur zum Teil kontrolliert und eine Ansammlung von Radioaktivität in der Umwelt wird nicht überwacht. Aufgrund der bei gleichzeitiger Stilllegung mehrerer Atomanlagen anfallenden großen Mengen dieser Stoffe, ist der Umgang mit ihnen dringend zu überdenken.

Die Stilllegung eines Atomkraftwerkes ist ein komplexes und vieljähriges Projekt, das Auswirkungen auf die Umwelt hat. Deshalb ist für jeden wesentlichen Genehmigungsschritt eine Öffentlichkeitsbeteiligung erforderlich. Die bisher gängige Praxis, eine Öffentlichkeitsbeteiligung nur zum ersten Genehmigungsschritt durchzuführen, in dem die Vorgehensweise nur relativ allgemein beschrieben wird, ist weder ausreichend noch gesellschaftspolitisch zeitgemäß.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Randbedingungen für die Wahl des Stilllegungskonzeptes, den Beginn des Abbaus, den Umgang mit den anfallenden radioaktiv belasteten Reststoffen und Abfällen sowie die Öffent­lichkeitsbeteiligung aus sicherheitstechnischem und formalrechtlichem Blickwinkel diskutiert werden müssen.
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Redaktionelle Hinweise:
Intac GmbH Hannover
Stilllegung der Atomkraftwerke – ein Artikel von Wolfgang Neumann
Aktuelle Probleme beim Rückbau – Artikel in der FR

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Der Rückbau der Kernkraftwerke ist Teil der Energiewende
Bisher erschienen:
Atomkraft weltweit auf dem Rückzug, Rebecca Harms (MdeP)
>>Anforderungen für die Stilllegung, Wolfgang Neumann (Intac GmbH)
Die atomrechtliche Aufsicht beim Abbau (Umweltministerium Baden-Württemberg)
Der Rückbau der Atomanlagen, Hubertus Grass

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  1. Dominik Pöschel

    vor 10 Jahren

    Nach dem Ausstieg aus der Atomaren Stromerzeugung sollten die AKW´s restlos zurückgebaut werden. Man sollte nicht lange rum machen welche Methode sondern einfach Anfangen mit der Beseitigung. Atomare Teile kann man doch im Meer versenken dann ist Ruhe ( Nö Spaß bei Seite ). Nicht mehr immer nur labern sondern eine Endlagerstellen suchen und da kommt das Zeug rein. Man macht ziert sich hier ohne Grund. Sollte man sich lieber mal Gedanken machen über die ganzen Atom U-Boote der Russen die im Schwarzen Meer vor sich hin gammeln und alles versuchen. Oder Nachdenken über die Munitionsreste in der Ostsee oder Fracking diese Umweltsünde..... Was hat man alles schon verklappt auf den Weltmeeren das man lieber nicht wissen will..

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