Atomkraft weltweit auf dem Rückzug

Gastautor Portrait

Rebecca Harms

MdEP

Rebecca Harms ist Vorsitzende der Fraktion Grüne/EFA im Europäischen Parlament und ein politisches Urgestein der deutschen Anti-AKW-Szene. 1977 war sie Mitgründerin der Bürgerinitiative gegen Gorleben, 1980 Sprecherin der Republik Freies Wendland. Zehn Jahre gehörte sie dem niedersächsischem Landtag an, 2004 wurde sie erstmals als Abgeordnete ins EP gewählt, seit 2009 seht sie an der Spitze der Fraktion.

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15. September 2014

Ab und zu darf man sich ruhig auch einmal über Erfolge freuen. Die Atomkraft ist nicht nur in Deutschland, sondern weltweit auf dem Rückzug, das belegen die aktuellen Zahlen des World Nuclear Industry Status Report . Und das verdanken wir nicht zuletzt auch dem Engagement all derjenigen, die sich seit Jahrzehnten gegen Atomkraft einsetzen.
Die Zahlen sind ziemlich beeindruckend: Während 1996 noch 17,6 Prozent des weltweit erzeugten Stroms aus Atomreaktoren kam, waren es 2013 nur noch 10,8 Prozent. Nuklear1Klein

Und in der Europäischen Union sieht es sogar noch besser aus: In der Hälfte der EU-Mitgliedstaaten werden entweder gar keine Atomkraftwerke betrieben oder es gibt einen Ausstiegsbeschluss wie in Deutschland. Dort, wo Neubauten entstehen sollen – zum Beispiel in Großbritannien oder Finnland – werden die Bauzeiten und Baukostenlaufend erhöht. Und immer wieder fallen altersschwache Reaktoren aus – so gleich fünf britische und drei belgische AKWs in den vergangenen Monaten. Fraglich, ob und wann sie noch einmal ans Netz gehen können. Auch das zeigt: Atomkraft ist out.

Aber trotzdem und trotz Fukushima versuchen die Anhänger des fossilen und atomaren Atomzeitalters weiterhin, die Atomkraft zu unterstützen – allen voran auch der deutsche (Noch-)Energie-Kommissar Günther Oettinger. Er will – gemeinsam mit seinen Kommissarskollegen in Brüssel – sogar dafür sorgen, dass Atomkraft in der EU subventioniert werden darf. Dagegen kämpfen wir Grüne auch im Europäischen Parlament.

Und mit dem beschlossenen Ausstieg in Deutschland und anderswo sind die Probleme ja nicht verschwunden, die Entsorgungsproblematik haben wir noch lange nicht im Griff. Wenn die letzten Kraftwerke vom Netz gehen, müssen die abgeschalteten Meiler zurückgebaut, der Müll bilanziert, Entsorgungsoptionen analysiert und ein Standort für den Atommüll gesucht und gebaut werden. Kernkraft Rueckbau EnBW Obrigheim Vorbereitung Dekontamination

Wir Grüne weisen seit langem auf die hohen Abrisskosten und die unabsehbar hohen Kosten für die Endlagerung des Atommüll hin und fordern, dass die notwendigen Gelder von den Betreibern in einen öffentlich-rechtlichen Fonds eingezahlt werden, damit das Geld da ist, wenn es gebraucht wird.

Die EU-Kommission hatte dies schon vor Jahren empfohlen, die Bundesregierung hat aber nicht reagiert. Sie hat darauf vertraut, dass die steuerfrei (!) von den Stromversorgern zurückgelegten Gelder schon ausreichen und bei Bedarf auch flüssig zur Verfügung stehen würden. Darauf dürfen wir uns nicht verlassen. Wir  brauchen eine verbindliche EU-weite Regelung. 

Es kann nicht sein, dass die Schätzung der Kosten den Energieversorgern überlassen bleibt. Billige Lösungen sind unverantwortlich. Durch die Überführung der Rücklagen in einem öffentlichen Fonds kämen endlich die Zahlen auf den Tisch und mehr Ehrlichkeit in die Debatte. Zum anderen bliebe das polluter-pays-principle gewährleistet: Die Verursacher des Atommülls müssen die finanzielle Verantwortung für die von ihnen verursachten Probleme übernehmen!

Gleichzeitig brauchen wir in der Europäischen Union eine zukunftsgewandte Energiestrategie. Gerade die Auseinandersetzung mit Russland und der Ukraine-Konflikt zeigen uns, wie schwierig eine zu große Abhängigkeit von Rohstoff-Importen sein kann. Die Europäische Union braucht einen neuen Pakt – wie einst Euratom und den Vertrag über Kohle und Stahl. Diesmal müssen aber erneuerbare Energien und Energie-Effizienz im Mittelpunkt stehen. Nur so können wir uns langfristig in allen EU-Ländern von der Atomkraft verabschieden.
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Redaktionelle Hinweise: Aktuelle Artikel zum Thema
Deutscher Atommüll bleibt länger in Frankreich
Wohin mit dem deutschen Atommüll?

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Der Rückbau der Kernkraftwerke ist Teil der Energiewende
Bisher erschienen:
>>Atomkraft weltweit auf dem Rückzug, Rebecca Harms (MdeP)
Anforderungen für die Stilllegung, Wolfgang Neumann (Intac GmbH)
Die atomrechtliche Aufsicht beim Abbau (Umweltministerium Baden-Württemberg)
Der Rückbau der Atomanlagen, Hubertus Grass

Diskutieren Sie mit

  1. Dominik Pöschel

    vor 10 Jahren

    Hallo Fr. Harms, die Atomkraft jetzt als das absolut böse hinzustellen ist nicht richtig. Man hat in den letzten Jahrzehnten viele Erfahrungen mit der Atomkraft gemacht, die uns das sehr hohe Risiko beim Betrieb der Kraftwerke oder gar bei Unfällen aufzeigt haben.
    Auf lange Sicht ist für die Umwelt eine weitgehend Gefahrlose Stromerzeugung wichtig und richtig.
    Die Entsorgung der vorhandenen AKW´s sollte fachmännisch und bestmöglich erfolgen um kein weiteres vor sich hin schwelendes Risiko zu erzeugen.
    Es wurden Rücklagen der Energieversorger gebildet ob diese letztendlich für die kompletten Entsorgungskosten ausreichen vermag ich nicht zu sagen.
    Auf jeden Fall werden Sie für den Rückbau verwendet. Der Atomstrom wurde über die letzten Jahrzehnte im Konsens genutzt. Die Entsorgung liegt daher nicht bei den Energieversogern alleine sondern gleichermaßen bei den Nutzern. Im Endeffekt haben alle vom günstigen Atomstrom profitiert und sollten ebenfalls an der fachgerechten Entsorgung teilhaben. Letztendlich wird am Ende sowieso der Steuerzahler bluten so wie immer :-)......
    Auch das finanzielle/soziale Ungleichgewicht der innerhalb der EU befindlichen Länder sollte ausgeglichen werden bevor auch diese den Umstieg in die Atomfreie Stromerzeugung schaffen können. Aus unserer komfortablen Position sollte man immer Verständniß für die anderen Länder haben.
    Der eingeschlagene Weg ist richtig!!!!

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