Dekarbonisierung der Energiewirtschaft: Politische Reaktionen auf den G7-Gipfel

Gastautor Portrait

Dirk Becker

SPD

Der Diplom Verwaltungswirt gehört seit 2005 dem Deutschen Bundestag an, im letzten Jahr wurde er zum Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Energie der SPD-Bundestagsfraktion gewählt. Dirk Becker engagiert sich als Mitglied der Beiräte des Bundesverbands Erneuerbare Energie e.V., des Bundesverbandes BioEnergie e.V. und der DENEFF (Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz) sowie im Naturschutzbund Deutschlands, NABU.

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19. Juni 2015
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Für die SPD-Bundestagsfraktion antwortet der Vorsitzende des Arbeitskreises Wirtschaft und Energie, Dirk Becker, auf unsere Fragen nach der Bewertung des G7-Gipfels von Elmau, der Dekarbonisierung der Energiewirtschaft und den Auswirkungen auf die deutsche Energiewende.

DEZ-Blog: Der klimapolitische Beschluss des G7-Gipfels kam überraschend. Erstmalig ist in diesem Kreis das Ziel einer vollständigen Dekarbonisierung der Energiewirtschaft anvisiert worden. Wie schätzen Sie die Bedeutung der G7-Vereinbarung im Hinblick auf den Weltklimagipfel ein, der im Dezember in Paris stattfinden wird?

Dirk Becker, MdB, SPD: Die Abschlusserklärung des G7-Gipfels in Elmau ist ein Schritt in die richtige Richtung. Die wichtigsten Ergebnisse sind dabei die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft bis zum Ende des Jahrhunderts, die Reduktion der Treibhausgase bis 2050 um 40 bis 70 % und das Festhalten an der 2 Grad Celsius-Grenze. Auch die Aufstockung der finanziellen Mittel für gefährdete Länder um 400 Millionen Euro ist ein wichtiges Zeichen. Gemeinsam liegt es nun an den G7 die gefundenen Kompromisse auf die Tagesordnung für den Weltklimagipfel im Dezember in Paris zu setzen und dafür einzutreten.

DEZ-Blog: Deutschland gehört – historisch gesehen – zu den Hauptverursachern des Klimawandels. Die CO2-Emissionen pro Kopf liegen hier zu Lande 20 Jahre nach Kioto noch immer über dem internationalen Durchschnitt, die Absenkung stagniert. Was läuft schief? Was muss sich ändern?

Dirk Becker: Es ist dabei kein Geheimnis, dass sich Deutschland mit dem Erreichen seiner CO2-Einsparungsziele derzeit schwer tut. Jenseits der internationalen Bühne, scheut die Kanzlerin bedauerlicherweise Farbe zu bekennen und vehement für die Energiewende einzutreten. Dabei ist es an uns zu beweisen, dass Energiewende made in Germany möglich ist. Auf der nationalen Ebene stockt es an vielen Ecken und Kanten. Wir müssen den Strommarkt an den Ausbau und vor allem die Integration der Erneuerbaren Energien anpassen, den dringend notwendigen Netzausbau endlich umsetzen und einer ehrlichen Debatte über den Umgang mit der Kohle nicht aus dem Wege gehen. Das Wirtschaftsministerium unter Sigmar Gabriel hat geeignete Instrumente und Reformvorschläge unterbreitet, wie wir unsere ehrgeizig gesteckten Ziele kosteneffizient und volkswirtschaftlich sinnvoll erreichen können. Auch auf europäischer Ebene gibt es Handlungsbedarf, wie etwa eine schnellstmögliche Reform des Emissionshandelssystems schnellstmöglich, damit wir endlich einen funktionierenden Marktmechanismus zur Emissionseinsparung bekommen.

DEZ-Blog: Der Ausbau der Erneuerbaren Energien läuft außer beim Strom sehr schleppend. Gemessen an gesamten Primärenergieverbrauch liegt ihr Anteil gerade einmal bei 12,4 Prozent. Geht es in diesem Tempo weiter, brauchen wir trotz Energiewende weit über das Jahrhundert hinaus, um aus den fossilen Energieträgern auszusteigen. Wie wollen Sie die Energiewende beschleunigen? 

Dirk Becker: Energiewende denken, hieß die letzten Jahre  vor allem eine Wende im Stromsektor. Allerdings können wir, wenn wir unsere Ziele ernst nehmen, die Energiewende nur zum Erfolg führen, wenn der Wärme- und Verkehrsbereich stärker eingebunden werden. Denn nur mit einem breiten Ansatz, der alle Bereiche einschließt, können wir die gesetzten Ziele bis 2050 zu erreichen.
Gleichzeitig gilt es die bekannten Potenziale im Bereich der Energieeffizienz zu heben. Je weniger Energie wir verbrauchen, desto weniger Energie müssen wir nachhaltig substituieren, um unsere Treibhausgasemissionen zu senken. Vor allem im Gebäudebereich bieten sich hier viele Ansatzmöglichkeiten, die sich mit der Gestaltung eines nachhaltigen Wärmemarktes sehr gut verbinden lassen. Die bewährten Förderprogramme müssen weiter verstetigt und ausgebaut werden. Damit kurbeln wir nicht nur die Energiewende, sondern auch die heimische Wirtschaft an.

Schloss Elmau im oberbayerischen Wettersteingebirge ist mit seiner landschaftlich reizvollen Kulisse ein geeigneter Tagungsort für den diesjährigen G7-Gipfel.

DEZ-Blog: Als eines der größten Hindernisse in der Energiewirtschaft gilt derzeit das unsichere Investitionsklima. Moderne Gaskraftwerke mit geringem Emissionsausstoß stehen still, während Uraltkraftwerke mit hohen Emissionen rund um die Uhr laufen. Welches Konzept verfolgt Ihre Fraktion, um Investitionen in die Energiewirtschaft wieder attraktiv zu machen?

Dirk Becker: Die energiewirtschaftlichen Herausforderungen sind komplex und viele Instrumente in ihrer Steuerungswirkung miteinander verzahnt. Gleichzeitig vernehme ich seitens der Energiewirtschaft den klaren Wunsch an die Politik, jetzt endlich Entscheidungen zu treffen, damit Investitionen nicht länger verzögert werden. Die Marktakteure brauchen Sicherheit und diese sollten wir ihnen schnellst möglich geben. Dabei darf nicht der betriebswirtschaftliche Nutzen des Einzelnen oder einer Branche ausschlaggebend sein, sondern die Instrumente hinsichtlich ihrer volkswirtschaftlichen Effizienz und Preiseffekte ausgewählt werden.  Selbstverständlich geht es uns Sozialdemokraten darum, Strukturbrüche in den betroffenen Regionen zu vermeiden. Der Strukturwandel muss insgesamt sozial abgefedert verlaufen, ökomische Perspektiven für Wirtschaft und Arbeit müssen kontinuierlich entwickelt werden, damit die betroffenen Regionen Perspektiven jenseits der Kohle entwickeln können. Die Politik muss jetzt handeln und den Mut zu den schwierigen aber notwendigen Entscheidungen aufbringen, anstatt weiter im Klein-Klein zu verharren.


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