Avançons ensemble! Deutschland und Frankreich müssen ihre Energiewenden verzahnen

Gastautor Portrait

Frank Peter

Stellvertretender Direktor Agora Energiewende

Frank Peter ist stellvertretender Direktor von Agora Energiewende. In dieser Funktion koordiniert er auch die Arbeiten des Teams Deutschland. Bevor Frank Peter zu Agora kam, arbeitete er zwölf Jahre bei der Prognos AG in Berlin. Er hat zahlreiche Projekte zu Klimaschutzfragen, Strommarktentwicklungen, erneuerbaren Energien sowohl für politische als auch privatwirtschaftliche Stakeholder geleitet. Im Rahmen seiner Tätigkeiten war er vielfach als Sachverständiger für den Bundestag und die Bundesregierung zu Energiefragen tätig. Frank Peter hat an der Technischen Universität Berlin technischen Umweltschutz studiert.

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10. April 2018
Hände mit deutschen und französischen Flaggen
Foto: Nelos/stock.adobe.com

Die Stromsysteme von Frankreich und Deutschland sind eng miteinander verzahnt. Energiepolitische Entscheidungen auf der einen Seite des Rheins haben deshalb erhebliche Konsequenzen auf der anderen Seite des Rheins. Weil das so ist, sollten Frankreich und Deutschland ihre künftige Energiepolitik gemeinsam gestalten. Das ist der Grundstein dafür, dass die Stromversorgung dort wie hier zuverlässig, nachhaltig und möglichst günstig bleibt. Konkret bedeutet das: Bis 2030 Windkraft und Photovoltaik gleichermaßen deutlich auszubauen und gleichzeitig die Stromerzeugung konventioneller Kraftwerken deutlich zu reduzieren – in Deutschland bei der Kohle, in Frankreich bei der Kernenergie. Das zeigt Studie von Agora Energiewende und dem Institute for Sustainable Development and International Relations (IDDRI) aus Paris. Gemeinsam empfehlen wir daher, dass Frankreich und Deutschland bei der Umsetzung ihrer jeweiligen Energiewenden intensiv kooperieren und sich eng darüber austauschen sollten, um die Wirkungen ihrer jeweiligen Energiepolitiken besser zu verstehen.

Denn eines ist auch klar: Schreiten Deutschland und Frankreich nicht im Gleichschritt voran, so kann es in beiden Ländern zu großen energiewirtschaftlichen Verwerfungen kommen. Deutschland droht eine noch größere Verfehlung der Klimaziele oder aber eine künftige Abhängigkeit von Stromimporten, insbesondere aus Frankreich. In Frankreich hingegen können Alleingänge zu teuren und unnötigen Investitionen in einen überdimensionierten Kernkraftwerkspark führen.

Beide Länder können profitieren

Unsere Studie empfiehlt daher, dass Frankreich aus wirtschaftlichen Gründen bis 2030 die Leistung seiner Kernkraftwerke von derzeit 63 auf 50 Gigawatt reduzieren solle. Deutschland hingegen sollte aus Klimaschutzgründen seine Kohleverstromung halbieren. Bei den Erneuerbaren Energien sollten beide Länder ihre bereits gesetzten Ziele engagiert verfolgen: In Frankreich soll 40 Prozent des produzierten Stromes im Jahr 2030 aus Erneuerbaren Energien stammen, in Deutschland soll ihr Anteil am Strommix laut Koalitionsvertrag auf 65 Prozent wachsen. Wichtig ist zudem, die Stromleitungen zwischen den beiden Ländern und im übrigen Europa zu verstärken. Davon würden insbesondere die Stromverbraucher profitieren – auch das zeigt unsere Studie.

Dieses Vorgehen würde im Ergebnis dazu führen, dass Deutschland, Frankreich und unsere Nachbarn sich gegenseitig bei der Stromversorgung unterstützen würden. Bei einem CO2-Preis von 30 bis 50 Euro pro Tonne könnte zudem die Stromerzeugung aus den erneuerbaren Energien Windkraft und Photovoltaik weitgehend am Strommarkt finanziert werden.

Einseitige Maßnahmen hier wie dort würden unserer Studie zufolge jedoch unvermeidlich zu Schieflagen führen: Sollte Frankreich im Jahr 2030 weiterhin Kernkraftwerke mit einer Leistung von 63 Gigawatt betreiben und dafür sämtliche bestehenden Kernkraftwerke mit großem Kostenaufwand modernisieren, im gleichen Zuge aber auch die Erneuerbaren Energien ausbauen, so wäre ein erheblicher Stromüberschuss die Folge. Dieser würde sowohl zu einem Preisverfall am Strommarkt in Frankreich und der EU führen als auch zu erheblichen Stromexporten nach Deutschland und in andere europäische Länder. Eine solche Export-Strategie Frankreichs würde aber nicht genügend Einkommen generieren, um die Modernisierungen der Kernkraftwerke zu refinanzieren. Sie wäre also zum wirtschaftlichen Scheitern verurteilt.

Mangelnde Kooperation käme teuer

Das gilt unserer Studie zufolge bereits bei Modernisierungen in einem Umfang von mehr als 50 Gigawatt Leistung, wobei der wirtschaftliche Schaden mit jedem zusätzlichem Gigawatt modernisierter Kernkraftwerksleistung überproportional wachsen würde. Zu wachsenden Stromexporten Frankreichs würde es bereits kommen, wenn das Land mehr als 40 Gigawatt Kernkraftwerke im Jahr 2030 in Betrieb hielte. Zudem würde Frankreich sein Ziel, den Kernenergieanteil im Strommix auf 50 Prozent zu reduzieren, erst nach 2030 erreichen können.

Wie rentabel Kernkraftwerke in Frankreich sein werden, hängt zudem sehr von der Entwicklung der CO2-Preise und der Kapazität der Stromleitungen zwischen Frankreich und seinen Nachbarn ab. Diese Faktoren lassen sich aber nicht auf rein nationaler Ebene entscheiden. Stattdessen werden sich Frankreich, Deutschland und ihre Nachbarn eng darüber abstimmen müssen.

Für Deutschland zeigt unsere Studie, dass CO2-Preise von 30 bis 50 Euro zwar helfen, die Verstromung von Kohle zu reduzieren, allerdings nicht in dem Maße, das nötig wäre, um Deutschlands Klimaziel 2030 zu erreichen. Eine Erhöhung der CO2-Preise oder ein Kohleausstieg würde jedoch die Refinanzierung von Strom aus Erneuerbaren Energien am Markt bis 2030 deutlich verbessern. Aus Sicht der Studie ist ein derartiges politisches Eingreifen daher sinnvoll. Eine engere Zusammenarbeit von Deutschland und Frankreich würde zudem die Versorgungssicherheit in beiden Ländern auf hohem Niveau aufrechterhalten.

Deutschland Kernkraft Rückbau EnBW Obrigheim leeres Brennelement-Lagerbecken
In Deutschland wird bereits fleißig zurück gebaut. Hier das leere Brennelement-Lagerbecken in Obrigheim.

Weniger Atomstrom – höhere CO2-Preise

Gleichwohl sind höhere CO2-Preise zum Beispiel durch einen CO2-Mindestpreis im Emissionshandel aus Klimaschutzsicht zentral. Sie würden lediglich zu einem moderaten Anstieg der Strompreise für die Verbraucher führen – übrigens in beiden Ländern gleich. Auf der Erzeugungsseite fallen die Effekte naturgemäß zugunsten der CO2-armen Stromerzeugungstechnologien aus: Während französische Kernkraftwerksbetreiber von höheren CO2-Preisen wirtschaftlich profitieren, liegt auf deutscher Seite der Nutzen bei Gaskraftwerksbetreibern sowie bei der Umwelt durch geringere Kohleverstromung. Damit diese Effekte nicht zu sehr hohen Kernenergie-Stromexporten von Frankreich führt, besonders nach Deutschland, hält Agora Energiewende eine politische Vereinbarung zwischen den beiden Ländern sinnvoll: Frankreich würde sich verpflichten, die Überkapazitäten seiner Kernkraftwerke zu verringern. Im Gegenzug könnte Deutschland eine deutsch-französische Initiative für einen CO2-Mindestpreis aktiv unterstützen.

Wie alle Studien von Agora Energiewende steht auch „L’Energiewende et la transition énergétique à l’horizon 2030“ kostenfrei unter www.agora-energiewende.de zur Verfügung. Für diejenigen, die des Französischen nicht mächtig sind, bieten wir eine deutschsprachige Zusammenfassung an. Eine deutsche Übersetzung ist zudem für die nächsten Monate geplant. Die Modellierungen in der Studie stammen vom Beratungsunternehmen Artelys, die Ergebnisse und die Annahmen bieten wir als Excel-Datei ebenfalls zum Download an.

Quelle Beitragsbild: Nelos/stock.adobe.com

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