Die Bedeutung der IT für die Energiewende

Gastautor Portrait

Dr. Frank Schmidt

Deutsche Telekom AG

Dr. Frank Schmidt leitet das Konzerngeschäftsfeld Energie. Davor arbeite er zehn Jahre lang in verschiedenen Führungspositionen im Politik- und Regulierungsbereich der Deutschen Telekom. Vor seinem Wechsel zur Telekom beriet Dr. Frank Schmidt als Mitarbeiter des Wissenschaftlichen Instituts für Kommunikationsdienste (WIK) verschiedene Aufsichtsbehörden in Fragen von Marktliberalisierung und Regulierung, darunter auch die Europäische Kommission.

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10. März 2014

Die Energiewende ist ein gigantischer Strukturwandel vergleichbar den großen industriellen Revolutionen der letzten beiden Jahrhunderte. Eine entscheidende Rolle wird dabei die Informations- und Kommunikationstechnik spielen. Davon bin ich überzeugt: Es wird keine Energiewende ohne IT und TK geben – und es darf keine Energiewende ohne hohe Sicherheitsstandards geben.

Ich lernte vor kurzem den US-amerikanischen Soziologen, Ökonom und Publizisten Jeremy Rifkin kennen. Er sieht in der Wirtschaftsgeschichte eine enge Verwandtschaft von Energie, Transport und Kommunikation. Die ersten Telegrafenmasten wurden in den USA an Zugleisen errichtet. Für die lange Ost-West-Verbindung einer Gesellschaft gab es ein einziges Gleis für beide Richtungen. Nur an Ausweichstellen konnten entgegenkommende Züge aneinander vorbei. Koordiniert haben die Eisenbahngesellschaften dies mit Schreibtelegrafen. Dampfmaschine und Telegraphie haben sich also in Linien entwickelt. Dann kamen das Ölzeitalter und die sternförmige Verteilung von Verkehr, Energie sowie der Rundfunk, der via Fernsehturm und Antennen sternförmig Informationen verbreitet. Und nun sind wir im Internetzeitalter, an der Schwelle zu einem Internet der Dinge, in dem sich alles, was kommunizieren kann, über ein vielmaschiges Netz austauscht. Parallel hierzu erwartet Rifkin ein Internet der Energie, in dem prinzipiell jedes Haus Strom aus erneuerbaren Quellen erzeugt und über ein Intergrid mit anderen Produzenten und Konsumenten verbunden ist.

Dies ist die Keimzelle der Energiewende in Deutschland: Es geht nicht nur um erneuerbare Energien, sondern vor allem um die dezentrale Erzeugung. Aus 1000 Kraftwerken sind inzwischen 1,4 Millionen geworden: vorwiegend Photovoltaik-Anlagen und Windräder. Sie liefern aber höchst unzuverlässig Strom. Das Stromnetz stabil auf 50 Hertz zu halten, wird zum Drahtseilakt. Ein Netz mit Millionen von Produzenten und Konsumenten ist viel zu komplex für eine zentrale Steuerung. Entscheidungen über Erzeugung, Verbrauch und Speicher müssen in einem dezentralen Netz auch dezentral getroffen werden – automatisch und wenn nötig in Echtzeit. Der intelligente Zähler ist dabei erst der Einstieg. Er liefert die Transparenz, um bewusst Energie sparen zu können. Er kann aber noch viel mehr: Denn er verbindet einzelne Häuser mit dem Internet der Energie. Zusammen mit Hausautomation, dem Smart Home, ergeben sich darüber hinaus ganz neue Geschäftsmodelle. Mit lastvariablen Tarifen und Geräten, die auf günstige Strompreise in Zeiten eines Überangebotes reagieren, können Energieunternehmen die Netze stabilisieren und ihren Kunden echte Mehrwerte bieten. Für Komfort zuhause ist die Internet-Generation durchaus bereit, Geld auszugeben: 67 Prozent der jungen, online-affinen Verbraucher würden 150 Euro für ein Einstiegspaket ausgeben. Über 60 Prozent würden für die Nutzung einer Smart Home-Software eine monatliche Gebühr zwischen fünf und zehn Euro bezahlen. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Online-Studie der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg im letzen Jahr. Google traut Smart Home ebenfalls viel zu: Immerhin war dem Unternehmen die Nest Labs über drei Milliarden US-Dollar wert. Dabei fragt sich der kritische Verbraucher, was sich der kalifornische Datensammler von einer Wärmesteuerung erhofft. Wahrscheinlich lautet die Antwort: noch mehr Daten.Mastklein

Deshalb ist bei allen Möglichkeiten einer vernetzten Welt immer die Sicherheit ein kritischer Faktor. Das fängt bei der Datensicherheit an. Übermittelte Verbrauchswerte  müssen stimmen, sonst ist keine vernünftige Abrechnung möglich. Erzeugungsdaten müssen stimmen, sonst kann das intelligente Stromnetz aus dem Takt geraten. Aber auch der Schutz der persönlichen Daten muss gewährleistet sein. Denn nur wenn der Endkunde dem System vertraut, wird er neue Geschäftsmodelle annehmen. Vertrauenswürdig wird das System mit Verschlüsselungstechniken, die wir seit den 70er Jahren kennen und immer weiter entwickelt wurden. Die Technik ist vorhanden und bewährt. Die künftige Messsystemverordnung sieht diese auch vor. Die Verwandtschaft von Energie und IT sowie TK legt aber noch einen weiteren Vorschlag nahe: Ähnlich wie sich IT-Unternehmen über Störungen weltweit austauschen, könnten sich Energieunternehmen mit Cyber Emergency Response Teams (CERT) über Störfälle informieren und sie gemeinsam bekämpfen.

Die Energiewende ist viel zu komplex für Alleingänge. Das betrifft sowohl den Aufbau der Infrastruktur als auch den Betrieb.

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  1. Marcus König

    vor 10 Jahren

    Big Data mag für ein Unternehmen wie Google sinnvoll erscheinen. Für das Gesamtsystem sollte hier eher gelten Necessary Data. Die Information "Herr Lehrer im Keller brennt Licht, ich habe es aber ausgemacht" ist unnütz für das Gesamtsystem. Soll heißen intelligente System kommunizieren nur das Notwendige. Eine ständige Status Meldung "Alle System funktionieren einwandfrei" liefert keinen Mehrwert, sondern belastet nur das Informationsnetz. Decentrale, lokale Systeme müssen demnach in der Lage sein weitestgehend selbständig zu regeln.

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