Die Entscheidung über die Mobilität der Zukunft wird nicht in Deutschland getroffen

Gastautor Portrait

Robin Engelhardt

Student, Gründer EAV Mobility

Robin Engelhardt, Jahrgang 1999, hatte 2014 seine erste Begegnung mit einem Elektroauto. Mit Blick auf die geringen Unterhaltskosten stellte er im Jahr 2015 den elterlichen Betrieb auf reine E-Fahrzeuge um, 2015 und 2016 besuchte er auf Einladung der Bundesregierung die nationalen Konferenzen Elektromobilität. Die nach einem Jahr Elektroauto gesammelten Erfahrungen veröffentlichte er im Bericht „50.000 elektrische Kilometer – nie wieder tanken!“, im gleichen Jahr gründete er zusammen mit seinem Vater die E-Autovermietung EAV Mobility. Er war bundesweit einer der ersten Fahrschüler mit kombinierter Ausbildung in Elektro- und Benzinfahrzeugen und hat viele Vorträge über E-Mobilität bei Unternehmen der Automobil- und Zuliefererindustrie gehalten. 2018 hat er das Abitur bestanden und studiert seitdem Elektrotechnik und Informationstechnik an der Technischen Universität München.

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11. September 2017
6. Conference on Future Automotive Technology: Focus Electromobility; 09.-10.05.2017; Veranstaltungsforum Fürstenfeld; Podiumsdiskussion;Robin Engelhardt (Beirat BEM)

An eine Debatte um die Mobilität der Zukunft im Rahmen des Bundestagswahlkampfes hat wohl kaum jemand geglaubt. Nachdem SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz Angela Merkel scharf kritisierte und CSU-Chef Seehofer und Grünen-Spitzenkandidat Özdemir ein fixes Enddatum für den Verbrennungsmotor (bzw. die Verhinderung eines solchen Enddatums) fordern, ist die Elektromobilität tatsächlich ein zentrales Wahlkampfthema geworden. Nun gibt es eine längst überfällige Debatte, deshalb möchte ich ein paar sachliche Informationen in eine überhitzte Diskussion einbringen und vor allem auch einen Blick auf die globale Entwicklung der Elektromobilität werfen.

Technologieoffenheit?

In Deutschland werden immer wieder Stimmen (vor allem aus der Wirtschaft sowieso bei CDU, SPD und FDP) laut, die beim Wettbewerb um den Antrieb der Zukunft „Technologieoffenheit“ fordern. Es gäbe so viele verschiedene Antriebstechnologien, die das Rennen machen könnten: Der „saubere“ Diesel, der Verbrennungsmotor mit synthetischen Kraftstoffen, die Brennstoffzelle, der Plug-In Hybrid, Flüssig- oder Erdgas und natürlich das batteriegetriebene Elektroauto. Da dürfe der Staat nicht von oben herab verordnen, was sich durchsetzen soll – das könne allein der Markt.

Robin Engelhardt engagiert sich für die Mobilität der Zukunft
Robin Engelhardt, so zeigt es auch sein Twitter-Profil, engagiert sich für die Mobilität der Zukunft.

Exportweltmeister für die Mobilität der Zukunft?

Schauen wir uns deshalb mal den Markt etwas genauer an: Auf der Internetseite des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) ist zu lesen, dass die deutschen Autobauer 4.411.152 in Deutschland gebaute Fahrzeug exportiert haben – das sind 76,8% der gesamten Produktion.

Der VDA schlüsselt dankenswerter Weise auch detailliert auf, in welche Länder exportiert wurde, hier eine kleine Auswahl (Stand aller Zahlen: 2016):

799.416 nach Großbritannien, 284.008 nach Frankreich, 85.997 in die Niederlande, 50.599 nach Norwegen, 232.633 nach China, 18.659 nach Indien.

Warum habe ich diese Länder ausgewählt? Ganz einfach: Zusammengerechnet wurden in diesen Märkten 1.471.312 Fahrzeuge verkauft – das entspricht 33,3% des gesamten Exports bzw. 25% aller in Deutschland gebauten Fahrzeuge (5.746.808). Alle diese Länder wollen den Verbrennungsmotor früher oder später verbieten. Norwegen bereits in acht Jahren (also 2025), Indien fünf Jahre später (2030), die Niederlande 2035, Frankreich und Großbritannien 2040 und in China müssen 2030 50% aller verkauften Fahrzeuge elektrisch sein – ein Verbot ist auch hier zu erwarten.

Bis 2040 würde der deutschen Automobilindustrie ein Viertel ihrer Jahresproduktion wegbrechen, wenn man weiter auf Verbrenner (egal ob mit synthetischen Kraftstoffen, Erdgas oder Diesel bzw. Benzin betankt) setzen würde.

In vielen weiteren Ländern wird über ein Verbot für Verbrennungsmotoren nachgedacht, unter anderem in: Dänemark, Spanien, Kanada, Schweden, Japan, Italien und Österreich. Nimmt man an, dass mittelfristig alle genannten Länder die Pläne für ein Verbrenner-Verbot tatsächlich umsetzen, steht Deutschland bald ziemlich isoliert da mit der „Technologieoffenheit“.

Der Markt hat bereits entschieden! Ist der Markt doof?

Die oben erwähnte Behauptung, das Rennen sei noch offen, ist schlicht falsch. Das Rennen ist längst entschieden: Die geplanten Verbote für Verbrennungsmotoren zeigen, dass der Weltmarkt künftig auf batteriegetriebene Elektroautos setzt. Angesichts der Äußerungen vieler Politiker und Autobauer könnte man als Deutscher nun ganz naiv fragen: „Ist der Markt eigentlich doof? Elektroautos sind doch unausgereift, haben eine miese Reichweite, müssen lange geladen werden und sind viel zu teuer. Wäre es nicht besser, synthetische Kraftstoffe zu nutzen, mit denen man bestehende Verbrennungsmotoren ohne Emissionen weiternutzen könnte? Oder die Brennstoffzelle, deren Wasserstofftank in Minuten wieder vollgetankt ist?“

Der Markt weiß: Verbrennungsmotoren sind das Problem – nicht die Lösung!

Warum setzen immer mehr Länder auf das Elektroauto?

Diesel und Benziner haben uns im letzten Jahrhundert zwar großen Wohlstand gebracht, hatten aber schon immer ein großes Problem: Beide stoßen viel CO2 aus, der Diesel außerdem noch viele Stickoxide (lässt sich zwar mit SCR-Katalysatoren eindämmen, ist aber sehr kostspielig).

Um den Klimawandel zu stoppen und die Luft in unseren Städten sauber zu machen (das Problem ist in den Mega-Citys dieser Welt noch viel größer als am Stuttgarter Neckartor), braucht es emissionsfreie Antriebe.

Der Plug-In Hybrid und Erdgas/ bzw. Flüssiggas-Motoren bauen auf der bestehenden Motorentechnik auf und senken deren Emissionen. Emissionsfrei sind beide jedoch nicht, ihnen kommt deshalb allenfalls eine Rolle als Brückentechnologie zu. Nicht für Jahrzehnte, sondern nur noch für einige Jahre.

Schlussendlich wird sich das Elektroauto durchsetzen: Es hat keinen verschleißanfälligen Motor, die Lebensdauer der Batterien ist schon jetzt überraschend gut und wird sich in den nächsten Jahren verbessern, die Reichweite wächst ebenfalls kontinuierlich während Ladezeiten und Kaufpreise sinken. Der Blick nach Norwegen und in die Niederlande zeigt, dass der Ausbau der Ladeinfrastruktur ein lösbares Problem ist, hierzulande geht es ebenfalls voran.

Mit steigenden Reichweiten und sinkenden Ladezeiten werden die Argumente für Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe immer weniger, gleichzeitig benötigen diese beiden Antriebsformen im Vergleich zum reinen E-Auto ein Vielfaches an Energie: Sowohl Verbrennungsmotoren als auch Brennstoffzellen sind im Vergleich zum E-Motor sehr ineffizient und auch die Produktion von Wasserstoff oder synthetischen Kraftstoffen verschlingt Unmengen an Energie.  Langfristig sind diese vielleicht im LKW, in der Luftfahrt oder bei Schiffen sinnvoll, wo das Gewicht der Akkus ein Problem wäre – im PKW werden sie keine Rolle spielen.

Die Stabilisierung des Stromnetzes in Zeiten der Energiewende wird ebenfalls nur mit batterieelektrischen Fahrzeugen funktionieren, denn nur bei diesen Fahrzeugen kann man große Akkukapazitäten nutzen, um überschüssigen Strom für Spitzenlastzeiten zu speichern. Bei der Brennstoffzelle ist dafür die Effizienz viel zu gering, bei synthetischen Kraftstoffen geht es überhaupt nicht.

Technologieoffenheit? Eine Illusion!

Im Gegensatz zu Deutschland haben viele andere Länder erkannt, wie viele Probleme der Verbrennungsmotor verursacht hat, die nur mit dem Elektroauto gelöst werden können.

Und nicht nur deswegen lohnt es sich für viele Länder, auf Elektroautos zu setzen, damit werden die Karten im globalen Automarkt neu gemischt:

Die deutschen Autobauer sind beim Verbrennungsmotor und vor allem beim Diesel Weltspitze. Beim dem Bau von Akkus fangen VW, Daimler und BMW bei null an, während die Koreaner, Japaner und Chinesen durch den Bau von Energiespeichern für Unterhaltungselektronik einen gewaltigen Vorsprung haben. Der größte Teil der Wertschöpfung eines Autos findet am Antriebsstrang statt – nicht am Auto drumherum. Wir müssen in Deutschland aufpassen, dass diese Wertschöpfung nicht nach Asien oder ins Silicon Valley abwandert.

Genau das wird aber passieren, wenn man weiter die Illusion der Technologieoffenheit aufrechterhält, statt sich den weltweiten Entwicklungen anzupassen. Die Industrie wird das von alleine nicht tun – das sieht man schon an den halbherzigen Elektrofahrzeugen, die sind Welten von einem Tesla Model S entfernt.

Deshalb brauchen auch wir ein Verbot von Verbrennungsmotoren, um die Autobauer zum Umstieg zu zwingen. Wenn bis 2040 immer mehr Länder Verbrennungsmotoren verbieten, muss sich die deutsche Automobilindustrie schon viele Jahre vorher darauf einstellen – ein plötzlicher Umstieg wird nicht funktionieren.

Bleiben wir an der Spitze?

Es stellt sich schon längst nicht mehr die Frage, ob das Elektroauto kommt, sondern ob Deutschland mitgeht. Wir stehen vor der Wahl, ob wir weiter Exportweltmeister bleiben und die besten Autos bauen, oder ob wir zum Zulieferer einzelner Teile verkommen, während die große Wertschöpfung in andere Länder verlagert wird. Setzen wir jetzt auf das Elektroauto, können wir diese Spitzenposition halten – und nebenbei noch den Klimawandel bekämpfen und für saubere Luft in unseren Städten sorgen. Viele andere Industrienationen haben das längst erkannt. In den nächsten Jahren wird es deshalb deutlich mehr internationale Konkurrenz für unsere Industrie geben – die Zeiten, in denen man sich auf alten Erfolgen ausruhen konnte, sind vorbei!


 Interessante Links, ausgewählt vom Gastautor:

Länder mit Verbrenner-Verbot (kurzes Video bei Twitter)

Einige Mythen über das Elektroauto aufgedeckt (Wirtschaftswoche)

Exportzahlen der deutschen Autoindustrie (VDA)

Stickoxide (Tagesschau-Faktenfinder)

Bundesnetzagentur zu Elektroautos als Stromspeicher (PDF)

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