Dieselgate: Sind wir nicht alle ein bisschen Volkswagen?

Gastautor Portrait

Prof. Dr. Volker Quaschning

HTW Berlin

Volker Quaschning ist seit 2004 Professor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Berlin und heute dort Sprecher für den Studiengang Regenerative Energien. Der studierte Elektrotechniker promovierte 1996 an der TU Berlin über Photovoltaiksysteme und schloss 2000 seine Habilitation über eine klimaverträgliche Elektrizitätsversorgung in Deutschland ab. Er hat inzwischen mehrere erfolgreiche Bücher geschrieben, betreibt das Informationsportal www.volker-quaschning.de zu erneuerbaren Energien und Klimaschutz und ist gefragter Redner und Interviewpartner.

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30. November 2015

Kaum ein Skandal der letzten Jahre hat uns so lange in Atem gehalten wie die Abgas­mani­pulationen von VW – Dieselgate. Eine echte Über­raschung war die Umge­hung der Abgas­grenz­werte für mich allerdings nicht. Umwelt- und Klima­schutz stehen bei Energie- und Automobilkonzernen nicht hoch im Kurs.
Sie haben Katalysator, Dieselrußfilter, Schadstoff- und CO2-Grenzwerte oder den Emissionshandel bekämpft und deren Einführung durch ihren Einfluss auf die Politik verschleppt oder verwässert. Dabei konnten sie bislang stets auf das Wohlwollen der Politik bauen. Umwelt- und Klimaschutz gelten nur so weit, wie sie zur Beruhigung der Volksseele dienen. Ansonsten sind sie schlecht für das Geschäft und bedrohen Gewinne und Arbeitsplätze.

Doch der Preis, den wir alle dafür zahlen, ist exorbitant: Jährlich sterben weltweit zigtausende Menschen durch Umweltverschmutzung. Allein auf das Abgaskonto deutscher Kohlekraftwerke gehen schätzungsweise 3.000 Todesfälle pro Jahr. Bereits durch die bisherige globale Erwärmung von rund einem Grad Celsius werden die Meeresspiegel um einen Meter ansteigen. Mehr als hundert Millionen Menschen werden allein dadurch in absehbarer Zukunft ihr Zuhause verlieren. Schaffen wir es in den nächsten 25 Jahren nicht, eine Energieversorgung ganz ohne Kohle, Erdöl oder Erdgas aufzubauen, werden die Flüchtlingszahlen ganz andere Dimensionen als heute erreichen.Solar

Unser täglich Dieselgate: Wir beschummeln unsere Kinder

Mit Verwunderung beobachten viele von uns die Machenschaften von VW. Doch was unterscheidet uns eigentlich von dem Volkswagenkonzern? Nicht viel. Wir alle wissen, dass wir die Grenzwerte unserer Erde ständig überschreiten. Doch wir tolerieren eine deutsche Energiepolitik, mit der eine CO2-freie Energieversorgung erst hundert Jahre zu spät erreicht werden kann. Wir beziehen unseren Strom mehrheitlich immer noch von klassischen Energieversorgern und damit aus dreckigen Kohlekraftwerken und wir sorgen mit unserem Kaufverhalten dafür, dass spritfressende SUVs Verkaufsschlager sind und nicht abgasfreie Elektroautos.

Der VW-Konzern musste schmerzhaft erfahren, was es bedeutet, das Vertrauen der für ihn wichtigen Kunden zu verspielen. Auch wir riskieren das Vertrauen der für uns wichtigsten Personen: Unserer Kinder. Handeln wir endlich, sodass wir künftig die Grenzwerte unserer Erde einhalten und den Klimaschutz auf die Reihe bekommen. Machen wir Politik und Unternehmen klar, dass für uns Umwelt- und Klimaschutz und nicht Konzerngewinne höchste Priorität haben. Und unternehmen Sie etwas, um auch Ihre persönlichen Grenzwerte nicht weiter zu überschreiten.

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Redaktion: Dieser Beitrag erschien zu erst in der Zeitschrift Joule – Magazin für Energieprofis. Wir bedanken uns für die Überlassung. Unser Gastautor betreibt eine Internetpräsenz zum Themenfeld Erneuerbare Energien und Klimaschutz, die einen Überblick bietet über seine zahlreichen Publikationen, Beiträge und Vorträge.

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  1. Robert Scheib

    vor 8 Jahren

    Exactly, wir beschummeln uns täglich selber. Wir kaufen Bio und fahren mit dem Auto zum Einkaufen, statt dem Fahrrad nutzen wir ebenso für Kurzstrecken das Auto, das Wetter, die Kleidung, die Bequemlichkeit, aber ich habe doch schon ein energie-effizientes Fahrzeug gekauft. Wir lassen das Licht abends brennen auch wenn wir nicht zu Hause sind um Einbrecher abzuschrecken, was dem Profi eher noch den Arbeitsalltag erleichtert. Wir verschwenden Energie wo es geht und benutzen noch immer die Plastiktüte obwohl es auch der Rucksack oder der seit 1978 mit Jute statt Plastik angebotene Beutel tun würde...und überhaupt der Coffee to go steht in der SUV Mittelkonsole super. Wir sind super vor allem darin zu beobachten. Das Wetter, die Ozonwerte, die Abgasbelastung und Stürme und Hochwasser, der Rückgang der Artenvielfalt und den Verlust von Lebensraum durch Dürren, Naturkatastrophen und Waldvernichtung. Wie der Frosch im Einmachglas, der auf der Leiter immer höher klettert während er merkt, dass die Temperatur ansteigt bis er bewußtlos von dieser herunterfällt.

  2. Windmüller

    vor 8 Jahren

    Das Problem in Deutschland ist, dass sich große Konzerne zu sehr darauf verlassen, dass die Politik ihnen brav den Rücken freihält. Vor Jahren wollte man 16 neue Kohlekraftwerke bauen, als Umweltschützer längst darauf hinwiesen, dass diese gar nicht gebraucht werden Nun hat man Milliarden in Soda Kraftwerke investiert, die so da stehen. VW hätte längst in E Mobilität investieren können. Man wollte es nicht, und kaufte lieber Lamborghini. Nun hat man ein richtiges Problem. Der Vertrauensverlust wiegt viel schlimmer als alles andere. Es ist traurig, dass Konzerne nur Einsicht zeigen, wenn sie richtig geerdet wurden. Hier liegt aber auch die Chance für einen Wandel. Ein schönes Beispiel liefert in unserer Gegend der Fleischkonzern Tönnies, der größte Schweineschlachter Europas. Die Kritik an der Massentierhaltung und Kritik an den Arbeitsbedingungen der Arbeiter aus Osteuropa hat dazu geführt, dass die Deutschen weniger Fleisch essen.Das ist auch bei Tönnies verstanden worden. Das Unternehmen bietet seit einiger Zeit vegetarische Schnitzel an. Geht also alles

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