War watt? Energiewende braucht Vertrauen

Gastautor Portrait

Hubertus Grass

Kolumnist

Nach Studium, politischem Engagement und Berufseinstieg in Aachen zog es Hubertus Grass nach Sachsen. Beruflich war er tätig als Landesgeschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen, Prokurist der Unternehmensberatung Bridges und Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden. 2011 hat er sich als Unternehmensberater in Dresden selbständig gemacht.

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05. November 2015
Energiewende aktuell

Die Nachrichten eines Tages in den deutschen Medien: Volkswagen hat nicht nur bei den Dieselmotoren, sondern auch bei den Benzinern Behörden und Verbraucher getäuscht;  die Deutsche Bank muss zum wiederholten Male wegen eines Gesetzesverstoßes eine hohe Geldstrafe zahlen – 200 Mio. US-Dollar, weil man sich nicht an die Sanktionsliste hielt –  und die Staatsanwalt führt in der Walhalla des Deutschen Fußballs, beim DFB in Frankfurt, wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall eine Razzia durch.  Das Wort von der „deutschen Leitkultur“ bekommt in der Wirtschafts- und Finanzwelt einen ganz seltsamen, übel aufstoßenden Beigeschmack. Und ja, das gab es auch noch: Braunkohlekraftwerke bekommen eine 1,6 Milliarden Euro teure Sterbehilfe vom Kabinett bewilligt, obwohl allen Beteiligten klar sein sollte, dass die EU-Kommission dies als unzulässige Beihilfe einordnen wird. Womit wir beim Thema wären: Die Energiewende braucht Vertrauen.

Die Solaranlage mit Speicher ist das iPhone der Energiewelt

Dass die vier großen, einst marktbeherrschenden Stromkonzerne in den Nuller Jahren sich MercedesSpeicherstrategisch nicht mit Ruhm bekleckert haben, dürfte mittlerweile Allgemeingut sein. Wahrscheinlich haben die Spitzenmanager der EVUs auf die entstehende Wind- und Solarindustrie anfangs genauso geschaut wie die Nokia-Manager auf das erste iPhone. Die Finnen ahnten nicht einmal, dass ihnen dieses kleine Ding in wenigen Jahren das Geschäftsmodell, auf dem das über hundert Milliarden Euro schwere Unternehmen gebaut war, völlig zerstören würde. Nokia ist in der Versenkung verschwunden. Auf dem Energiemarkt läuft die Entwicklung zur Zeit sehr dynamisch ab, aber langsamer als in der IT-Welt. Jetzt braucht man kein Prophet mehr zu sein, um diese Aussagen zu treffen:

  • Solaranlagen mit Speicher werden zur Massenware.
  • Elektroautos werden die Verbrenner in wenigen Jahren von der Straße drängen.
  • Die Braunkohleverstromung wird viel schneller auslaufen, als es die Politiker in NRW, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt in ihren schlimmsten Träumen befürchtet haben.

Der Kabinettbeschluss vom Dienstag, die Verbraucher mit 1,6 Milliarden Euro noch einmal für die Braunkohle zur Kasse zu bitten, war der letzte seiner Art. Zu groß ist der Druck aus der Bevölkerung, die es nicht mehr länger hinnehmen will, dass die Technik von vorvorgestern der Technik von morgen im Weg steht. Zu offensichtlich sind die Gesundheitsgefahren, die von der Kohleverstromung ausgehen. Zu stark das Umweltbewusstsein in der Bevölkerung und der Wunsch nach Klimaschutz. Und Klimaschutz nach Art des Hauses Gabriel ist ein Luxusartikel, den wir uns nicht mehr leisten können. Für 1,6 Mrd. € wird eine CO2-Reduktion von 12,5 Millionen Tonnen erreicht. In den nächsten Schritten geht es dann um Reduktionsziele von mehreren hundert Millionen Tonnen. Das lässt sich nicht mehr in gleicher Manier bezahlen.

Energiewende braucht Vertrauen in die Verlässlichkeit der Akteure

Wer vorweggehen will, sollte sich beizeiten mal umdrehen um zu schauen, ob die Gefolgsleute noch da sind, oder ob sie das Vertrauen in die Führung verloren haben und bereits auf anderen Pfaden wandeln. Gute Führung geht anders: Man einigt sich auf Ziele, beschreibt den ungefähren Weg und führt dann von hinten. Gute Führung basiert auf Vertrauen in die Fähigkeit des Teams, die Klarheit der Guidelines (auch in der Compliance des Unternehmens) und in dem Bewusstsein, dass Fehler gemacht und dann korrigiert werden können. Deutsche Bank, VW, der DFB – alle wurden nach anderen Grundsätzen geleitet. Die EVUs in den Nuller Jahren auch.

ÄthetikBraunkohle

Die Energiewende ist ein für die deutsche Wirtschaft, das internationale Ansehen unseres Landes und den globalen Umweltschutz zentrales Projekt. Die Energiewende erlaubt Fehler – da wurden auch schon viele gemacht. Was die Energiewende auf Dauer nicht verträgt sind Schummeleien, Hinterzimmerabreden, Unehrlichkeit und Täuschungen. Davon haben die Menschen durch die laufenden Verfahren die Nase gestrichen voll. Man schaue sich nur einmal an, wie zwischen Juni und September dieses Jahres aus der – von Gabriel vorgeschlagenen – Klimaabgabe für alte Braunkohlekraftwerke eine Subvention in Höhe von 1,6 Milliarden Euro wurde. Dabei haben sich RWE und Co. noch nicht einmal die Mühe gemacht, eine Software für die CO2– und die anderen Emissionen zu entwickeln. Vertrauen lässt sich eben auf vielerlei Art und Weise verspielen. Aber das Publikum lässt sich nicht dauerhaft hinters Licht führen.

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