War watt? Energiewende einfach machen

Gastautor Portrait

Hubertus Grass

Kolumnist

Nach Studium, politischem Engagement und Berufseinstieg in Aachen zog es Hubertus Grass nach Sachsen. Beruflich war er tätig als Landesgeschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen, Prokurist der Unternehmensberatung Bridges und Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden. 2011 hat er sich als Unternehmensberater in Dresden selbständig gemacht.

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13. April 2017
Energiewende sozial gestalten

Die Steuererklärung, die auf den berühmten Bierdeckel passt, ist der richtige Ansatz. Je einfacher ein System ist, desto leichter wird es verstanden. Und desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass es Akzeptanz findet. Analog gilt: Wir müssen die Energiewende einfach machen. Die Verbraucher sollten wissen, welche Abgaben und Steuern es gibt, wofür sie bei der Energiewende dienen und welchen Preis sie dafür zu zahlen haben. Davon sind wir aber meilenweit entfernt. Sechs verschiedene Abgabetypen belasten allein den Strompreis. Da blickt niemand mehr durch. Ungerecht ist die Verteilung der Kosten sowieso. Und obendrein ist es kontraproduktiv.

Steuerung der Energiewende unmöglich geworden

Wir hatten in früheren Beiträgen darauf hingewiesen, dass der niedrige Ölpreis zum Problem für die Energiewende werden könnte. Denn die Investitionen in neue Technik und Energieeffizienz werden durch die Aussicht auf steigende Energiepreise angeregt. Wenn Energiesparen nicht lohnt, bleiben die CO2–Emissionen hoch. In Kooperation mit dem Beratungsunternehmen E-Bridge, dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und der TU Clausthal hat Agora Energiewende den Zusammenhang systematisch unter die Lupe genommen. Aufgedeckt haben die Forscher eine Reihe von Problemen sowie ein neues Paradoxon: Je ökologischer der Strom wird, desto stärker wird er mit Öko-Abgaben belastet. Ferner diagnostiziert die Studie:

  • Das entstandene Geflecht aus Abgaben und Umlagen inklusive Ausnahmeregelungen ist überkomplex.
  • Es werden Anreize erzeugt, die teilweise gegeneinander laufen.
  • Ausnahmeregelungen wie die Befreiung von der EEG-Umlage führen dazu, dass Stromverbrauch und Volllaststunden künstlich hoch gehalten werden.
  • Eine gezielte Steuerung durch die Politik ist nicht mehr möglich.
  • Die Wirkungen von Änderungen im System sind kaum abschätzbar.
Energiewende einfach machen - das ist alles andere als einfach.
Quelle: Foliensatz der Studie: https://www.agora-energiewende.de/fileadmin/Projekte/2017/Abgaben_Umlagen/Foliensatz_Abgaben-Umlagen_Grundlagen_2017-04-10.pdf

Energiewende einfach machen: Das ist nicht einfach

Agora schlägt vor, eine Angleichung der unterschiedlich hohen Steuern, Abgaben und Umlagen auf die Energieträger vorzunehmen. Es käme dann zu dem Effekt, dass Strom günstiger würde und die Preise für die fossilen Brennstoffe ansteigen würden. Um den diversen Zielen (Finanzierung, wirtschaftliche und klimatische Effizienz, Verteilungsgerechtigkeit und Good Governance) zu entsprechen, werden fünf Optionen entwickelt. Dabei betonen die Autoren, dass es nicht darum gehe, die richtige Option zu ziehen, sondern ein guter Mix der richtige Ansatz sei.

Die Umgestaltung des Systems von Abgaben und Umlagen auf die Energiepreise habe, so Patrick Graichen, Leiter Agora Energiewende, „…das Potenzial zur nächsten Großbaustelle in der Energiewende“ zu werden. „Wir müssen diese Herausforderungen aber anpacken, weil die Unwucht sonst so groß werden kann, dass an einen klimafreundlichen Umbau des Energiesystems nicht mehr zu denken ist.“

Energiewende über Steuern steuern?

So verdienstvoll auch diese Studie von Agora ist: Die Herausforderung, die Überkomplexität hinreichend zu reduzieren, haben die Autoren nicht gemeistert. Sie haben der neuen Bundesregierung für die nächste Legislatur eine schöne Aufgabe ins Hausaufgabenheft geschrieben und die richtigen Hinweise für die Lösung geliefert. Die Energiewende einfach machen –  das schafft die Reform von Agora nicht. Warum nicht als zentrales Element der Finanzierung und Steuerung der Energiewende auf die CO2–Steuer zurück greifen, wie sie u.a. von Klaus Töpfer und Ernst Ulrich von Weizsäcker ins Spiel gebracht wurde? Agora sieht den CO2-Preis nur als Grundlage der Abgaben und Steuern. Dabei hätte eine Steuer für alle den Vorteil, europarechtlich kompatibel zu sein und in allen Ländern ähnlich funktionieren zu können. Und last not least: Sie ist einfach zu verstehen.

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