War watt? Energiewende braucht volle Konzentration

Gastautor Portrait

Hubertus Grass

Kolumnist

Nach Studium, politischem Engagement und Berufseinstieg in Aachen zog es Hubertus Grass nach Sachsen. Beruflich war er tätig als Landesgeschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen, Prokurist der Unternehmensberatung Bridges und Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden. 2011 hat er sich als Unternehmensberater in Dresden selbständig gemacht.

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07. April 2016
War watt? ist die energiepolitische Kolumne von Hubertus Grass. Hier geht es um die Energiewende. Wie bekommen wir die gut hin?

So ungefähr laufen die Alpträume eines Kommunikationschefs ab: Einen Tag nach dem die neue, super-moderne und nicht ganz preiswerte Image-Kampagne angelaufen ist, wird das Unternehmen von den dunklen Mächten der Vergangenheit eingeholt. Die schönen, aufwändig produzierten Bilder werden an diesem Tag verdeckt von Geschichten, die über die Geschichte geschrieben werden. In diesem Alptraum bestimmen nicht stolze Mitarbeiter, die motiviert und mit dem ganzen Schatz ihrer Erfahrungen an der Energiewende arbeiten, das Bild vom Unternehmen, sondern es ist ein Tag der bösen Kommentare.

Gestern wurde dieser Alptraum für die EnBW AG Realität, als das Landgericht Bonn die Klage der EnBW AG aus dem Jahr 2014 abwies. Das Unternehmen habe es versäumt, so das Gericht, gegen das Moratorium der vorübergehenden Stilllegung Rechtsmittel einzulegen. Man könne nicht einerseits Entscheidungen der Verwaltungen widerspruchslos hinnehmen und andererseits dafür Schadensersatz fordern.
Das Gericht deutete an, dass bei Einhaltung des verwaltungsgerichtlichen Klageweges die Schadens-ersatzklage eine hohe Aussicht auf Erfolg gehabt hätte. Aber, das pfeifen seit langem selbst juristisch unkundige Spatzen von den Dächern, für das Moratorium der vorübergehenden Stilllegung im März 2011 gab es keine nachvollziehbare Begründung. Die erzwungene Abschaltung war ein rechtswidriger Eingriff in das unternehmerische Eigentum.

Die Sicherheitslage der deutschen AKWs hatte sich durch den Tsunami von Fukushima nicht verändert. Was Angela Merkel und mit ihr CDU, CSU und FDP im Frühjahr 2011 fürchteten, war kein Seebeben, sondern ein politischer Tsunami. Hatte man doch gerade vereint mit den EnBWAltAtomstromern beschlossen, aus dem 2000 beschlossenen Ausstieg aus der Kernenergie wieder auszusteigen. Diese politische Dummheit drohte der schwarz-gelben Koalition im Frühjahr 2011 auf die Füße zu fallen. Angst vor dem Votum der Wähler mag für Politiker ein wichtiger Beweggrund sein, im Verwaltungsrecht ist diese Angst eine unbekannte Kategorie.
Das Moratorium und dann die Stilllegungen waren politische und damit nach Atomrecht sachfremde Entscheidungen. Die Legalität, das werden die weiteren Gerichtsurteile bestätigen, liegt wohl auf Seiten der Kläger. Legitim sind die Klagen aber nicht, denn in 2011 wurde ungefähr der Zustand wieder hergestellt, der im Jahre 2000 im Einvernehmen mit den EVUs im Atomkonsens erreicht worden war. Alle Klagen sind in diesem Sinne unanständig. Aber auch Anstand ist bekanntermaßen nicht justiziabel. Justiziabel wäre aber auch, wenn die jetzigen Vorstände nicht klagen würde. Das wäre treuwidrig gegenüber den Aktionären. Die Vorstände würden sich strafbar und schadensersatzpflichtig machen. So kompliziert ist das Recht.

Die Geschichte der Energiewirtschaft ist gekennzeichnet von einer Reihe von Entscheidungen, bei denen sachfremde, politische Argumente den Ausschlag gaben. Es sind Entscheidungen, die vor 2011 meist im Einvernehmen zwischen Energiewirtschaft und Politik fielen. Der Bau des Endlagers in Gorleben ist beispielsweise solch eine politische Entscheidung. Das zentrale Sachargument – das Gebiet war und ist geologisch als Standort wenig geeignet – trat zurück hinter den politischen Gründen, dass hier a) wenig Widerstand beim Bau vermutet wurde und b) es einen Ministerpräsidenten gab, der die Sache durchziehen wollte. Das Problem schien vom Tisch, alle Beteiligten waren zufrieden.

Die neuen Macher der Energiewende

Heute kommen uns allen solche Entscheidungen teuer zu stehen. Bei den juristischen EnBWNeuGefechten blitzt eine Vergangenheit auf, aus der wir, Politik und Gesellschaft, die richtigen Lehren ziehen müssen. Sie berichten von einem Zustand der Verquickung von Politik und Wirtschaft, mit dem wir brechen müssen und den wir durch Transparenz ersetzen müssen. Die Gerichtsprozesse erzählen Geschichten aus einer Energiewelt, in der wenige Akteure sehr viel zu entscheiden hatten. Die Macher von damals haben wenig gemacht. Sie haben vor allem den Status quo verteidigt.
Heute haben wir Millionen von echten Machern. Menschen, die Energie auf neue Art und erzeugen, verteilen und vermarkten. Menschen, die an der Dekarbonisierung der Energiewelt arbeiten. 20.000 von denen arbeiten alleine bei der EnBW und ihren Töchtern. Menschen, die die jüngste Geschichte wenig interessiert. Die Macher von heute konzentrieren sich auf die Gestaltung einer lebenswerten Zukunft. Sie arbeiten nicht im Verborgenen, sondern offen und  transparent und häufig in Kooperation mit Partnern. Innerhalb oder außerhalb der EnBW: Energiewende heißt die Mission der neuen Macher.

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  1. Windmüller

    vor 8 Jahren

    Ich denke, das Thema sollte man differenziert sehen. KKW sind chronisch unterversichert. Das wird vom Staat toleriert. Das muss der Staat aber nicht auf alle Zeiten machen. Würden KKW in ausreichender Höhe versichert, wäre der Strom am morgigen Tag unwirtschaftlich. Wo steht geschrieben, dass Gewinne zu privatisieren sind, während Risiken zu sozialisieren sind ? Zudem ist den Konzernen kein Schaden in Milliardenhöhe entstanden. Den ersten Ausstieg unter rotgrün hatte man unterschrieben. Von der Verlängerung bis zum erneuten Ausstieg verging ein halbes Jahr. Mir ist rätselhaft, wie man daraus Entschädigungen in Milliardenhöhe ableiten will.

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