Rückbau der Atomenergie: Kein Thema für den kleinen Kreis

Gastautor Portrait

Hubertus Grass

Kolumnist

Nach Studium, politischem Engagement und Berufseinstieg in Aachen zog es Hubertus Grass nach Sachsen. Beruflich war er tätig als Landesgeschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen, Prokurist der Unternehmensberatung Bridges und Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden. 2011 hat er sich als Unternehmensberater in Dresden selbständig gemacht.

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02. Juni 2017

So mancher zweifelte, ob das Thema sein Publikum findet. Wird über den Rückbau außerhalb des Kreises der Spezialisten überhaupt noch diskutiert? Nach dem Fachforum des Tagesspiegels „Abgeschaltet und jetzt? Perspektiven für den Rückbau von Kernkraftwerken“Abgeschaltet und jetzt? Perspektiven für den Rückbau von Kernkraftwerkenwaren die Skeptiker eines Besseren belehrt: Der Saal war voll. Und die Veranstaltung bot von Anfang bis Ende hohes Vortragsniveau mit spannenden Disputen.

Facettenreiches Thema

Rückbau ist ein sehr weites Feld. Mit den Kommissionen zur Überprüfung der Finanzierung des Kernenergieausstiegs und zur Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe wurden lediglich zwei Themen auf die Gleise eines politischen Konsenses gestellt. Alle Referenten betonten, wie wichtig die gemeinsame Arbeit an der Sache über alle Parteigrenzen hinweg, gewesen sei. Darauf ließe sich aufbauen. So zentral die Themen Finanzierung und Endlagersuche auch seien: Die Vielfalt der Probleme sei weitaus komplexer, als es die bisherige öffentliche Diskussion widerspiegele.

Fachforum Energie Tagesspiegel: Rückbau der Atomenergie
Der Rückbau der Atomenergie ist nicht nur für einen kleinen Kreis von Interesse. Beim Fachforum des Tagesspiegels waren der Saal voll, die Debatten lebhaft und die Vorträge spannend.

Stefan Wenzel, niedersächsischer Minister für Umwelt, Energie und Klimaschutz, verwies beispielhaft auf das Phänomen zu enger Märkte. Der internationale Wettbewerb fiele auf Grund der nationalen Gesetze und Normen bei Ausschreibungen meist aus. Über spezielles Knowhow verfügten nur wenige Unternehmen. Schon jetzt wäre der Kreis der infrage kommenden Auftragnehmer staatlicher Ausschreibungen sehr übersichtlich. Da der Rückbauprozess noch Jahrzehnte brauche, müsse man sich dazu frühzeitig Gedanken.

Die Vergangenheit ist allgegenwärtig

„Wir wollen jetzt in die Zukunft schauen und die Dinge gemeinsam anpacken.“ Der Wunsch von Frank Mastiaux, Vorstandsvorsitzender der EnBW  die Gräben der Vergangenheit hinter sich zu lassen, wird sich nicht so schnell erfüllen. Atmosphärisch und inhaltlich war es der Veranstaltung anzumerken, dass sich hier auch Kontrahenten eines langjährigen Konfliktes trafen. Wahrscheinlich wurde in der Bundesrepublik kein anderer politischer Streit so lang und so erbittert geführt wie der um die Nutzung der Atomenergie.

Die Asse, das vorgesehene Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle, steht stellvertretend für das Versagen staatlichen Handelns und die Entstehung einer wohl begründeten Kultur des Misstrauens. Aus dem Desaster der Asse gilt es die richtigen Lehren zu ziehen. Mittlerweile hat wohl auch der letzte begriffen, dass der Staat auch durch die Wahl einer Mehrheit nicht legitimiert ist, eine Hoch-Risikotechnologie gegen den Widerstand einer Minderheit durchzudrücken.

Der Rückbau braucht Vertrauen

Der Prozess des atomaren Rückbaus braucht einen gesellschaftlichen Konsens. Für den ist es zunächst nötig, dass auch die politischen Gegner der Vergangenheit zusammenarbeiten und in der gemeinsamen Arbeit Vertrauen entwickeln. Aber auch das, darauf wies Stefan Wenzel hin, ist nicht ausreichend. Denn am Ende muss der Prozess so zuverlässig und transparent ablaufen, dass auch kommende Generationen dem Projekt Rückbau vertrauen könnten.
Die Kontroverse um das Ende der Kernenergie wird in jedem Fall weitergehen. Bei einer Abstimmung im Publikum zeigten sich zwei Drittel der Teilnehmer davon überzeugt, dass die Zeit der Auseinandersetzungen längst nicht vorbei sei.

Föderales Thema mit hohem Konfliktpotential

Rückbau ist in einem föderal strukturierten Bundesstaat auch ein Thema der Länder. Ihre Mitwirkung ist gefragt bei der Endlagersuche. Ihren Behörden obliegen die atomrechtliche Aufsicht und alle Fragen der Genehmigungen, die in einem Rückbauprozess erforderlich sind. Länder legen aber auch Grenzwerte fest, so dass Bauschutt in einem Bundesland als kontaminierter Sondermüll zu behandeln ist und die gleiche Charge ein Bundesland weiter problemlos im Straßenbau eingesetzt werden kann.
Auch wenn es Verfahren zur Suche eines Endlagers im Konsens aufgesetzt wurde: Hier gibt es noch viel Raum für neue Konflikte. Denn Bund und Länder haben sehr unterschiedliche Interessenslagen. Und im Ernstfall, so Wolfram König, Präsident des Bundesamtes für kerntechnische Entsorgungssicherheit, gehe es um sehr viel Geld.

Rückbau ist Teil der Energiewende

Von den 1600 Mitarbeitern der Kernkraftgesellschaft der EnBW arbeiten 500 Leute bereits im Rückbau. Und ein kleiner Teil von ihnen ist Teil eines Teams, das Produkte und Dienstleistungen für den internationalen Markt entwickelt. Rückbau, das machten mehrere Referenten deutlich, ist viel mehr als die Abwicklung der Vergangenheit. Rückbau ist Teil der Energiewende. Und Rückbau hat Zukunft. Denn bisher ist es noch keinem Staat gelungen, ordentlich aus dem Thema Atomenergie wieder auszusteigen. Die jüngsten Entwicklungen in der Schweiz, Frankreich, Kanada und den USA zeigen, dass Rückbau wirtschaftlich dann Potenzial für uns hat, wenn wir vorbildliches zustande bringen.

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Wir werden hier im Blog das Thema Rückbau in den nächsten Tagen ausführlicher beleuchten und einige Referenten des Fachforums hier noch einmal zu Wort kommen lassen.

 

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