Analyse: Gemischte Energiewende-Bilanz des Jahres 2016 – Kohleverbrauch sinkt, Emissionen steigen

Gastautor Portrait

Christiane Schatzmann

EnBW Energie Baden-Württemberg AG

Christiane Schatzmann-Felden studierte Politikwissenschaften in Bonn und absolvierte danach ein Zeitungsvolontariat. Anschließend arbeitete sie u.a. als Pressereferentin im Bundesministerium für Verkehr und als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bundestag. Seit 2001 kümmert sie sich in der Berliner Hauptstadtrepräsentanz der EnBW als Projektleiterin um Kommunikationsformen rund um die Energiepolitik.

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17. Januar 2017

Eine Energiewende-Bilanz des Jahres 2016 hat jetzt der in Berlin ansässige politische Think Tank „Agora Energiewende“ gezogen. Die rund 50-seitige Analyse trägt den Titel „Die Energiewende im Stromsektor: Stand der Dinge 2016“. Sie kommt zu einem gemischtem Ergebnis: Die Experten bewerteten positiv, dass 2016 das Stromsystem das dritte Jahr in Folge klimafreundlicher geworden sei, sich Gaskraftwerke von Kohlekraftwerken Marktanteile zurückerobern konnten, der Atomausstieg nach Plan verlief, Erneuerbare-Energien-Anlagen so viel Strom wie nie zuvor lieferten, der Stromverbrauch sank und die Zustimmung der Bevölkerung zur Energiewende auf sehr hohem Niveau weiterhin gewachsen sei. Andererseits sei Ende 2016 deutlich geworden, dass die Gesamt-Klimagasemissionen Deutschlands abermals gestiegen sind, die Strompreise für Haushalte 2017 erstmals die Marke von 30 Cent pro Kilowattstunde überspringen werden, und die Fortschritte so langsam erfolgen, dass die für 2020 gesetzten Ziele für Klimaschutz und Effizienz nur noch mit einer großen zusätzlichen Kraftanstrengung zu erreichen seien.

Bilanz16_1Die Ergebnisse im Einzelnen: Erneuerbare-Energien-Anlagen lieferten beinahe jede dritte Kilowattstunde Strom, die verbraucht wurde: 32,3 Prozent. Somit wuchs der Ökostrom-Anteil 2016 um 0,8 Prozentpunkte. Dass trotz des starken Zubaus insbesondere von Windkraftanlagen (5 Gigawatt) sowie von Solarstromanlagen (1 Gigawatt) nur 4 Terawattstunden mehr Ökostrom als im Vorjahr produziert wurden, ist den unterdurchschnittlichen Wind- und Sonnenbedingungen im Jahr 2016 geschuldet.

Sehr deutlich legten Erdgaskraftwerke zu – sie produzierten gut ein Viertel mehr Strom als im Vorjahr. Mit einem Anteil von 12,1 Prozent am Erzeugungsmix lieferten sie fast so viel Strom wie Kernkraftwerke (13,1 Prozent), deren Erzeugung sich seit 2000 annähernd halbiert hat.

Infolge des Wachstums bei der Verstromung von Erdgas und bei Erneuerbaren Energien sank der Anteil von Braunkohle an der Stromerzeugung auf 23,1 Prozent (-0,8 Prozentpunkte), der Anteil der Steinkohle verminderte sich auf 17 Prozent (-1,2 Prozentpunkte). Damit hält der 2014 begonnene Rückgang der Kohleverstromung weiter an.

Der verminderte Kohleeinsatz schlägt sich auch in der Klimabilanz des Stromsystems nieder: Dessen CO2-Emissionen gingen 2016 leicht zurück und lagen bei 306 Millionen Tonnen (-1,6 Prozent gegenüber 2015). Demgegenüber sind die Gesamt-Treibhausgasemissionen Deutschlands von 908 auf 916 Millionen Tonnen gestiegen (+0,9 Prozent). Damit sind die CO2-Emissionen des Stromsektors nun im dritten Jahr in Folge gesunken, während in den Sektoren Industrie, Wärme und Verkehr kaum Klimaschutz stattfindet.

Der Stromverbrauch ging 2016 zwar leicht zurück und liegt mit 592,7 Terawattstunden um 2,4 Terawattstunden unter Vorjahresniveau. Um das für 2020 gesetzte Effizienzziel der Bundesregierung zu erreichen, müssten von nun an jedoch 9 Terawattstunden pro Jahr eingespart werden.

In der Bevölkerung wird die Energiewende weiterhin positiv gesehen – die Zustimmung ist 2016 sogar noch gewachsen. So halten 93 Prozent der Bundesbürger in einer jährlich wiederholten Umfrage die Energiewende für „wichtig“ oder „sehr wichtig“ – eine Verbesserung um drei Prozentpunkte seit 2015 und der höchste Wert in fünf Jahren. Auch die Umsetzung wird besser beurteilt: 47 Prozent der Befragten halten sie inzwischen für „gut“ oder „sehr gut“. Das entspricht ebenfalls einer Verbesserung um drei Prozentpunkte.

Die Jahresauswertung zeigt auch, dass 2016 das Jahr der billigen Energie war. So sanken sowohl die Weltmarktpreise für Kohle, Öl und Gas als auch die Strompreise an der Börse. Diese lagen mit 26,60 Euro pro Megawattstunde auf einem 10-Jahres-Tief. Zugleich hat die deutsch-dänische Solarenergie-Auktion gezeigt, wie günstig Solarstrom sein kann: Nur noch 5,38 Cent pro Kilowattstunde wird die Vergütung hier betragen. Das ist der niedrigste je in Europa erzielte Betrag für Solarstrom.

Doch während Börsenstrom, Erdgas und Heizöl immer billiger werden, gilt dies aufgrund von steigenden Abgaben und Umlagen nicht für den Haushaltsstrompreis. Er übersteigt 2017 die Marke von 30 Cent pro Kilowattstunde. Bleibe das System der Abgaben und Umlagen wie es ist, so ist bis 2023 ein weiterer Anstieg der Strompreise absehbar, so die Experten von Agora-Energiewende.

Agora Energiewende ist eine gemeinsame Initiative der Stiftung Mercator und der European Climate Foundation. Für die Energiewende-Bilanz des Jahres 2016 haben die Autoren zahlreiche öffentlich zugängliche Daten analysiert und miteinander in Zusammenhang gesetzt. Die Publikation können Sie in unserer Energiebibliothek oder hier herunterladen.

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