Weniger Steuerung im Detail, mehr klare Linie bei der Energiewende

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Dr. Katja Reisswig

Gastautor

Dr. Katja Reisswig ist freie Redakteurin und Bloggerin. Sie hat das branchenübergreifende B2B-Portal Technewable.com für die grüne Wirtschaft ins Leben gerufen und schreibt über Themen rund um Nachhaltigkeit, Energiewende, grüne Innovationen und Technologien mit Blick auf Unternehmen, Start-ups, Forschungseinrichtungen und andere Akteure der Green Economy.

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23. Januar 2018

Die gute Nachricht nach dem SPD-Parteitag: Wir bekommen wahrscheinlich bald eine neue Bundesregierung. Die schlechte Nachricht: Die neue Bundesregierung ist die alte. Die bekannten Konflikte in der Energie- und Klimapolitik bleiben bestehen. Weder sind neue Gesichter noch neue Konzepte in Sicht. Eine (mit dem Kanzleramt?) abgestimmt klare Linie in der Energiewende zwischen den Ministerien Wirtschaft und Energie, Umwelt, Landwirtschaft und Verkehr? Worauf ließe sich diese Hoffnung nach der Wurstelei der vergangenen vier Jahre gründen?

Wir haben Dr. Katja Reisswig (wie die anderen Energieblogger auch) vor dem SPD-Parteitag Klare Linie bei der Energiewendeinterviewt. Sie hat Technewable.com initiiert. Technewable.com ist ein branchenübergreifendes B2B-Portal für die grüne Wirtschaft. Es dient der Unterstützung der Energiewende sowie der Transformation des Wirtschaftssystems hin zu einem nachhaltigen und zukunftsgewandteren System. Unter diesem gemeinsamen Nenner vereint das Portal Unternehmen, Start-ups, Forschungseinrichtungen und andere Organisationen aus dem grünen Bereich, um ihnen eine gemeinsame Kommunikationsplattform zur Vorstellung von Projekten und Lösungen zur Verfügung zu stellen.

Klare Linie mit Vorgaben und Zielen für die Energiewende

DEZ-Blog: Was erwartest Du energiepolitisch von 2018?

Dr. Katja Reisswig: Auf das Jahr 2018 blicke ich differenziert. Mit Blick auf die Bundesebene habe ich zumindest die Hoffnung, dass es mit der Energiewende und dem Klimaschutz wieder stärker vorangeht. Hier hängt viel davon ab, ob künftig die richtigen Weichen gestellt werden. In allen Bereichen, ob Strom, Wärme, Gebäude, Verkehr, Industrie etc. besteht großer Handlungsbedarf. Die Lösungen und Technologien sind vorhanden. Sie müssen jetzt nur zur Anwendung gebracht werden. Das ist eine große Herausforderung, da viele von ihnen neu sind und wenig Erfahrungen vorliegen. Hierfür braucht es Demonstrationsprojekte und im Anschluss daran Strategien, tragfähige Geschäftsmodelle sowie Investitionen für eine breitenwirksame Umsetzung. Für einige der Anwendungen muss der Gesetzgeber den Weg frei räumen, um ihnen den Weg in den Markt zu ermöglichen. Wenig hilfreich ist, wenn Regulierungen den Weg in den Markt versperren, zumal viele der neuen Technologien und Innovationen zuvor durch öffentliche Gelder gefördert werden.

Zudem würde ich mir für das kommende Jahr, aber auch die darauffolgenden Jahre eindeutige und unmissverständliche Botschaften wünschen. Wünschenswert wäre auch, wenn nicht versucht wird, im Detail zu steuern, sondern es klare Vorgaben und Ziele gibt. Freiräume für die handelnden Akteure sind wichtig. Ob das in 2018 auf Bundesebene gelingt, wird sich zeigen. Mehr Hoffnung hege ich hingegen mit Blick auf Landes- und kommunaler Ebene. Hier gibt es tolle Projekte und Vorzeige-Kommunen, die hinsichtlich Klimaschutz und Energiewende bereits viel auf den Weg gebracht und auch erreicht haben. Sie geben gute Vorzeigebeispiele ab. Ich finde es gut, wenn diese ins Rampenlicht gerückt werden. Auf der Ebene gibt es viel Engagement, welches in die richtige Richtung geht.

Neuen Technologien den Weg bereiten

Was sollte eine neue Bundesregierung als erstes anpacken?

Das ist eine Frage, die sich nicht so leicht beantworten lässt. Herausforderungen gibt es viele. Was ich mir wünsche, ist ein stimmiges Konzept, eine klare Linie mit konkreten und umsetzbaren Zielen sowie eine dementsprechende Strategie, die kommuniziert wird.

Wichtig ist meines Erachtens auch, dass neuen Technologien der Weg bereitet wird. Für eine Umsetzung der Energiewende sind diese unerlässlich. Mit ihnen wachsen die Möglichkeiten, gleichzeitig steigert ihre Nutzung die Komplexität. Neue Anwendungen auf Basis neuer Technologien entstehen und entwickeln sich heute in einem rasanten Tempo. Mit diesem Schritt zu halten ist für die Politik schwierig. Gleichzeitig wird es schwieriger Einzelbereiche regulieren zu wollen, ohne dass diese Effekte auf andere Bereiche nach sich ziehen.

Dieses Jahr wird den marktreifen Technologien gehören

Welche Innovationen aus Forschung und Technik werden in 2018 eine Rolle spielen?

Konkret für 2018 werden es vor allem bereits technologisch erprobte Innovationen sein, d.h. Technologien, die ihren „Proof of Concept“ bereits erbracht haben und erste Demonstrationsprojekte erfolgreich realisiert haben. Das Jahr wird den marktreifen Technologien gehören, für die sich ein großer Bedarf abzeichnet und gute Ausgangsbedingungen vorliegen, beispielsweise in Form von Investitionsbereitschaft. Für Plattformen, Apps, Chatbots und dergleichen wird es sicher ein gutes Jahr werden.

Die Elektromobilität kam vergangenes Jahr so langsam ins Rollen. Aktuell wird viel in die Ladeinfrastruktur investiert, die grundlegend zur Nutzung von E-Fahrzeugen ist. Auch Energiespeicherlösungen werden sicher weitere Verbreitung im Markt finden. Smarte Technologien, die im Privathaushalt angewendet werden, aber auch Smart Meter und Smart Grids erhalten Auftrieb. Neue Produkte und Anwendungen im Bereich der Digitalisierung wird es geben – Stichwort Internet of Things (IoT), Machine Lerning (ML), Künstliche Intelligenz (AI) und BlockChain etc. Vielleicht wird es auch wieder neue technologische Durchbrüche geben von Technologien, die im Moment noch keiner auf dem Schirm hat. Ich bin gespannt, was das neue Jahr 2018 alles – politisch, wirtschaftlich und technologisch – mit sich bringen wird.


Debattenabend: Energiepolitischer Ausblick

Energiepolitischer Ausblick: Das ist auch das traditionelle Thema eines jeden ersten Debattenabends der Stiftung Energie & Klimaschutz im neuen Jahr. Er findet am 7. Februar 2018 in Stuttgart statt. Wie immer haben wir einige Plätze bei dieser Veranstaltung für die Leserinnen und Leser des Blogs reserviert. Weitere Infos zu dieser Veranstaltung werden wir zeitnah veröffentlichen.

So können Sie teilnehmen: Bitte melden Sie Ihre Teilnahme bis spätestens Montag, 29. Januar per Mail an: energieundklimaschutzBW@enbw.com

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