Debattenabend: Klimapolitik post Trump

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Redaktion

Stiftung Energie & Klimaschutz
22. März 2017
Klimapolitik Post Trump
Klimapolitik Post Trump

Donald Trump, der neugewählte Präsident der Vereinigten Staaten, lässt keinen Zweifel daran, dass er eine Politik der nationalen Reindustrialisierung verfolgt, verbunden mit einer Förderung der fossilen Energieträger. Die Mittel für den Umweltschutz sollen um 31 Prozent gekürzt werden. Von Klimaschutz oder gar internationalen Klimaabkommen hält Trump Präsident nichts. Die Entwicklung jenseits des Atlantiks könnte nun Anlass für die EU-Mitglieder sein, sich umso enger zusammen zu schließen. Doch mit dem Brexit-Votum hat Deutschland bereits einen Mitstreiter für ambitionierte Klimaziele verloren. Was bedeutet das für das Weltklima? Springt China als neuer Vorreiter beim Klimaschutz in die Bresche? Oder können wir uns trotz Twitter-Gewitters beruhigt zurücklehnen, weil die maßgeblichen Akteure bereits durch Gesetze und Verträge gebunden sind? Wie entwickelt sich die Klimapolitik post-Trump?

Das ist die zentrale Frage beim nächsten Debattenabend, zu dem die Stiftung Energie & Klimaschutz Baden-Württemberg am kommenden Donnerstag einlädt. Unter dem Titel „Die ersten hundert Tage: Klimapolitik post-Trump“ diskutieren Dr. Christian Holzleitner, Advisor to the Director-General for Climate Action, European Commission, Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer Deutsche Umwelthilfe e.V., Daniel G. Wetzel, Wirtschaftsredakteur DIE WELT und Dr. Hans-Josef Zimmer, Mitglied des Vorstands der EnBW AG. Wir hatten Gelegenheit, vorab Daniel Wetzel einige Fragen zum Thema zu stellen:

DEZ-Blog: Es scheint so, dass die Welt momentan andere Sorgen hätte als den Klimaschutz. Kriege, Hungerkatastrophen und eine Reihe von internationalen Konflikten bestimmen die Nachrichtenlage. Und der Führer der freien Welt, der amerikanische Präsident, ist bekanntermaßen eher ein Mann des Öls als der erneuerbaren Energien. Kommt der Klimaschutz international auf den Hund?

Mitdiskutant über Klimapolitik post Trump: Daniel Wetzel von der Tagesezeitung "Die Welt".
Mitdiskutant über Klimapolitik post Trump: Daniel Wetzel von der Tagesezeitung „Die Welt“.

Daniel Wetzel: Das glaube ich nicht. Denn die Kosten für erneuerbare Energien sind drastisch gesunken. In besonders wind- und sonnenreichen Ländern werden bereits Wind- und Solarparks mit Erzeugungskosten von weniger als drei Cent pro Kilowattstunde gebaut. Fossil befeuerte Kraftwerke können dagegen nicht mithalten. Die breite politische und gesellschaftliche Unterstützung in vielen Ländern und das Klimabkommen von Paris deuten darauf hin, dass es eine recht stabile, weltweite Energiewende gibt. Immerhin werden weltweit fast 300 Milliarden US-Dollar pro Jahr in erneuerbare Energien investiert, das ist mehr als in konventionelle Kraftwerke. Solange man in großen Teilen Chinas keinen blauen Himmel sehen kann, wird insbesondere die Regierung in Peking den Kohleausstieg weiter forcieren. Die Angst vor einem Ende des US-Klimaschutzes unter Präsident Trump halte ich für übertrieben: Denn die meisten Klimaschutzprogramme finden auf der Ebene der Bundesstaaten statt und sind dem Einfluss der Zentralregierung in Washington entzogen.

Als Journalist verfolgen sie seit Jahren die Umsetzung der Energiewende kritisch. Die derzeitige Bundesregierung hatte sich vorgenommen, die Kosten der Energiewende in den Griff zu bekommen, mehr Wettbewerb auf dem Energiemarkt zu ermöglichen und wollte dabei an den bisherigen Klimaschutzzielen festhalten. Wie bewerten Sie die Bilanz der Bundesregierung in Sachen Energiewende und Klimaschutz?

Daniel Wetzel: Die Bundesregierung hat zuletzt einige Schritte in die richtige Richtung unternommen. Die staatlich fixierte Einspeisevergütung für Ökostrom wurde etwa durch ein effizienteres Ausschreibungsmodell für Wind- und Solarparks ersetzt. Das bremst zumindest den Kostenanstieg. Doch die grundlegenden Probleme der Energiewende löst das nicht. Über die Kosten der Energiewende wird nach der nächsten Bundestagswahl noch einmal völlig neu zu diskutieren sein. Die Bilanz der Bundesregierung in Sachen Klimaschutz lässt sich in Zahlen fassen: Die CO2-Emissionen Deutschlands sind seit 2009 nicht gesunken und auch 2016 erneut gestiegen. Das Ziel einer 40-prozentigen CO2-Reduktion bis 2020 wird verfehlt. Der Wert des Klimaschutzplans 2050 und des Nationalen Aktionsplans Energieeffizienz muss sich dementsprechend erst noch zeigen.

Vorreiterrolle in der Klimapolitik schwächt die Industrie

Die deutsche Energiewende hatte über viele Jahre eine Art internationaler Leuchtturmfunktion. Das ändert sich derzeit. Übernimmt China jetzt die deutsche Rolle eines Vorreiters beim Klimaschutz? Und was bedeutet das die wirtschaftlichen Chancen, über die im Zusammenhang der Energiewende ja auch zu reden ist?

Eine klimapolitische Vorreiterrolle ist meines Erachtens eher von Nachteil. Denn der „second mover advantage“ ist höher. Eine Vorreiterrolle schwächt mit ihren Sonderkosten nur die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Industrie und zerstört Akzeptanz bei den Verbrauchern und Steuerzahlern. Unter dem Dach des europäischen Emissionshandels stiften selbst auferlegte Zusatzlasten keinerlei Nutzen für den Klimaschutz, Emissionen werden durch national höhere CO2-Ziele nur in andere Länder verschoben, nicht vermieden. Forschungsergebnisse legen nahe, dass nationale Sonderziele nicht Nachahmer ermuntern, sondern im Gegenteil Trittbrettfahrer, die ihre eigenen Anstrengungen im europäischen Rahmen entsprechend herunterfahren. Wenn in China jetzt mehr in CO2-freie Technologien investiert wird als in Deutschland, dann ist das wegen der immensen Luftverschmutzung dort zu begrüßen. Die wirtschaftlichen Chancen deutscher Unternehmen verringert das nicht. Denn eine Vorreiterrolle macht sich nicht an der Zahl aufgestellter Windräder fest, sondern an Forschung und Entwicklung und den Fähigkeiten der Ingenieure. Die Position deutscher Unternehmen in den eigentlich entscheidenden Disziplinen Systemintegration, Smart Grids, Produktionstechnik und Energieeffizienz halte ich nicht für gefährdet.

Wirtschaft lebt von der Substanz

Bei der deutschen Wirtschaft man immer ein wenig den Eindruck, dass Stöhnen zur Kernkompetenz zählt. Während Jahr für Jahr Rekorde beim Export erzielt werden, gibt es kaum einen Vertreter der deutschen Wirtschaft, der nicht auf die Wettbewerbsnachteile hinweist, die durch die Energiewende entstehen. Sind die Anstrengungen beim Klimaschutz aus ihrer Sicht mehr Fluch oder mehr Segen für die deutsche Wirtschaft?

Es gibt einige große, stromintensive Industriebetriebe, die wegen der sogenannten Besonderen Ausgleichsregelung kaum EEG-Umlage zahlen und im Stromeinkauf vom Preisverfall am Großhandelsmarkt profitieren. Doch die vielen industriellen Mittelständler, die praktisch das Rückgrat der deutschen Wirtschaft bilden, zahlen den vollen Strompreis bis auf den letzten Cent. Es ist der zweithöchste Strompreis Europas und er besteht zu 55 Prozent aus ökologisch motivierten Steuern, Abgaben und Umlagen, die Wettbewerber in anderen Ländern nicht zahlen. Inzwischen werden von der Industrie in Deutschland Abschreibungen längst nicht mehr in voller Höhe durch neue Investitionen ausgeglichen, das heißt, es findet ein Substanzabbau statt. Selbst die geschützten energieintensiven Industrien melden für 2016 erstmals rückläufige Beschäftigtenzahlen. Das sind Alarmsignale. Die Kosten der Energiewende gehören deshalb auf der Agenda der nächsten Bundesregierung wieder ganz nach oben.

DEZ-Blog: Vielen Dank für das Gespräch

Teilnahme am Debattenabend für Leserinnen und Leser des Blogs

Der Debattenabend „Die ersten hundert Tage: Klimapolitik post-Trump“ findet am Donnerstag, den 30. März in Stuttgart in unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof statt. Für die Leserinnen und Leser dieses Blogs sind wie immer einige wenige Plätze reserviert.

So können Sie teilnehmen: Bitte melden Sie Ihre Teilnahme bis spätestens Montag, 27. März an per Mail: energieundklimaschutzBW@enbw.com

Ergänzende Informationen erhalten Sie im Zuge der Teilnahmebestätigung.

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