Klimasünder oder Klimaretter?

Gastautor Portrait

Prof. Dr. Werner Tillmetz

Vorstandsmitglied des ZSW

Professor Dr. Werner Tillmetz leitet seit 2004 als Vorstandsmitglied des ZSW den Geschäftsbereich Elektrochemische Energietechnologien und gehört der Fakultät für Naturwissenschaften der Universität Ulm an. Er promovierte in Elektrochemie 1984 an der TU München und war 20 Jahre in verantwortlichen Positionen in der Industrie tätig. Mit „Neuen Energietechnologien für die Raumfahrt“ beschäftigte er sich in seiner F&E-Tätigkeit bei Dornier. Danach folgten Brennstoffzellen für die Elektromobilität bei der Daimler Benz AG und bei Ballard Power Systems. Zuletzt verantwortete er bei der Süd‐Chemie AG das globale Katalysatorgeschäft im Umwelt- und Energiebereich. Tillmetz gehört zahlreichen Gremien an, u.a. dem Beirat der Nationalen Organisation Wasserstoff‐ und Brennstoffzellentechnologie (NOW GmbH) und der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE).

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28. September 2017
Prof. Dr. Werner Tillmetz

Klimawandel ist das Megathema unserer Zeit und in aller Munde. Geht es um Fakten, welche Einflüsse klimaschädlich und welche klimafreundlich sind, dann dominieren schnell Halbwissen und Wunschdenken. Im Folgenden werden zwei ganz aktuelle Themen etwas näher beleuchtet.

Klimafreundlich: Diesel oder Elektroauto? 

Klima. Abbildung 1: Zum Laden von batterieelektrischen Autos reicht eine „normale“ Steckdose.
Abbildung 1: Zum Laden von batterieelektrischen Autos reicht eine „normale“ Steckdose.

Bezüglich der Klimafreundlichkeit von Elektroautos wird gerne angebracht, dass der Strom zum Laden der Batterie je nach Strommix für das entsprechende Land aus „dreckigen“ Kraftwerken kommt – und damit sei deren Null-Emissionen-Bilanz dahin. Beim etablierten Verbrennungsmotor sind Fragen zur Herkunft des Diesels oder Benzins interessanterweise nur für erlesene Experten ein Thema. Dennoch, auch bei konventionellen Kraftstoffen muss zunächst einmal das Öl aus dem Boden geholt werden, mit zunehmend aufwendigeren Verfahren – extrem wird dies bei der Herstellung von Öl aus Teersanden oder beim Fracking. Dazu kommen klimaschädliche Emissionen für Transport, Raffination und Entschwefelung. Hierzu ein kleines Rechenbeispiel: Ein modernes und beliebtes Oberklassenfahrzeug (z.B. SUV mit 6-Zylinder Motor) hat im alltäglichen Stadtverkehr oder auf der Autobahn mit 160 km/h einen Verbrauch von etwa 10 Liter Kraftstoff für 100 Kilometer. Das bedeutet einen Ausstoß von etwa 250 g CO2/km, bzw. ganz genau 232 g CO2/km beim Benziner und 262 g CO2/km beim Diesel. Die EU-Richtlinie fordert 120 g/km bereits seit 2015 und 95 g/km ab 2020. Damit emittiert unser Auto heute 2-mal mehr Klimagas, als sich der Gesetzgeber vorgestellt hat. Nur für diese „tank to wheel“ Emissionen gibt es bislang konkrete gesetzliche Vorgaben. Jetzt kommen noch die CO2-Emissionen der Vorkette, sprich die der Erdölgewinnung und -veredelung dazu. Je nach Herkunft sind das nochmal von 60 bis zu 170 Gramm CO2/km im schlimmsten Fall. Dies entspricht etwa 20 – 70% der „tank to wheel“ Emissionen des Fahrzeuges. Die gesamte Emissionsbilanz „well to wheel“ liegt dann zwischen 310 und 420 g CO2/km.

Fazit: Obwohl jeder „grünen Strom“ beziehen kann, wozu sich auch schon viele Haushalte entschieden haben, könnte ein TESLA am „dreckigsten Braunkohlekraftwerk“ aufgeladen werden und wäre immer noch deutlich klimafreundlicher als vergleichbare Limousinen mit Verbrennungsmotor. Auch der oft als umweltfreundlich bezeichnete Diesel macht da keinen großen Unterschied: der im Bord-Computer angezeigte, durchschnittliche Kraftstoffverbrauch zeigt das ganz einfach: den Verbrauch in Liter pro 100 km mit 26 multiplizieren (mit 23 für Benziner) und dann hat man etwa die CO2-Emissionen in g/km – und dann vergleichen mit dem erlaubten Maximum von 120 g/km heute bzw. den 95 g/km ab 2020.

Klimafreundlich? Deutschlands CO2-Emissionen im internationalen Vergleich 

Seit den heftigen Diskussionen um die – wohlgemerkt freiwilligen – Klimaschutzziele der „COP 21“ in Paris wird uns gerne suggeriert, dass Deutschland ein Vorbild sei und Staaten wie die USA oder China die Klimasünder sind. Aber was sagen die Fakten?

Die Klimaemissionen sind in Deutschland im letzten Jahr wieder leicht gestiegen, statt in Richtung der politischen Ziele zu fallen (siehe Abb. 2). Einerseits liegt das am Straßenverkehr, der seit vielen Jahren bei 95 Prozent fossilen Kraftstoffen, bei zunehmendem Gesamtverbrauch von Diesel, stagniert. Andererseits kommt in Deutschland weiterhin ein erheblicher Teil des Stromes aus Braunkohlekraftwerken, die mit großem Abstand die klimaschädlichste Variante der Stromerzeugung darstellen. Dazu kommt, dass wir einen erheblichen Anteil dieses Stromes in Deutschland gar nicht brauchen und billigst an unsere Nachbarn verscherbeln.

Klimafreundlich? Abbildung 2: Die Treibhausgasemissionen in Deutschland steigen wieder. Entwicklung seit 2000 und Ziele für 2020 und 2030 (Quelle: Umweltbundesamt). Schätzungen für 2015 und 2016 (Quelle: AGORA Energiewende).
Abbildung 2: Die Treibhausgasemissionen in Deutschland steigen wieder. Entwicklung seit 2000 und Ziele für 2020 und 2030 (Quelle: Umweltbundesamt). Schätzungen für 2015 und 2016 (Quelle: AGORA Energiewende).

In den USA gingen die CO2-Emissionen in den letzten Jahren deutlich nach unten. So sind die CO2-Emissionen in den letzten 15 Jahren in den USA um 25% auf 16,2 t/Kopf im Jahr2016 gesunken. In Deutschland gab es kaum eine Reduktion und wir lagen im letzten Jahr bei immer noch beachtlichen 9,4 t/Kopf. Das ist fast das Doppelte zum weltweiten und deutlich über dem europäischen Durchschnitt. Auch in China sinken die Werte, 2016 lagen die CO2-Emissionen bei 6,6 t/Kopf. Die Investitionen in Erneuerbare Energien – als Indikator für die zukünftigen Entwicklungen – betrugen im letzten Jahr in China 78 Mrd. US $, in den USA 46 Mrd. US $. Deutschland investierte nur 13 Mrd. US $ in die Erneuerbaren Energien, die Investitionen unser Nachbarn in Großbritannien betrugen dagegen 24 Mrd. US$.

Klimafreundlich? Abbildung 3: Vergleich der Emissionen Deutschlands mit den führenden Ländern der Erde. Quelle: “Trends in global CO2 emissions: 2016 Report ©PBL Netherlands Environmental Assessment Agency The Hague, 2016 PBL publication number: 2315 European Commission, JRC, Directorate Energy, Transport & Climate JRC Science for Policy Report: 103428.
Abbildung 3: Vergleich der Emissionen Deutschlands mit den führenden Ländern der Erde. Quelle: “Trends in global CO2 emissions: 2016 Report ©PBL Netherlands Environmental Assessment Agency The Hague, 2016 PBL publication number: 2315 European Commission, JRC, Directorate Energy, Transport & Climate JRC Science for Policy Report: 103428.

Fazit: Deutschland hat im Klimaschutz, entgegen mancher Wahrnehmung, keine Vorreiterrolle. Und bei den modernen Umwelttechnologien – dazu gehören Investitionen in Erneuerbare Energien oder auch in die Elektromobilität – übernehmen andere Länder das Ruder.

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  1. Bernd Hermann

    vor 6 Jahren

    Wo bleibt die genaue Rechnung wie die Zellen für die Akkus hergestellt werden? Sie kommen ja bis heute alle aus Fernost. Dann die Rohstoffgewinnung für die Zellen? Auch die alternativen Energieträger müssen zuerst hergestellt und später einmal entsorgt werden. Zb Fotovoltaik? und die Akku Zellen natürlich auch.
    Zu den Werten in Stuttgart hatten wir vor 10 Jahren 820 Stunden Feinstaub wer hat den Wert auf 18 Stunden festgesetzt? Es gibt 2 Meßtadionen diese zeigten ganz unterschiedliche Werte warum? Das gleiche gilt für NOX 40 im freien bis zu 920 am Arbeitsplatz? Das 23 fache, da stimmt doch etwas nicht?
    Wir sollten zuerst mal unsere Experten? wie bei der Papstwahl eine vernünftige Lösung für die Zukunft suchen lassen und wenn sie die haben die auch ausführen. Aber sie die Experten müssen dann auch für die Folgen haftbar gemacht werden.
    Meiner Ansicht nach benötigen wir mehrere Wege und nicht nur einen.

  2. Gisela Bräuninger

    vor 6 Jahren

    was fehlt: die Bilanz der Vorkette beim Elektroauto (Batterieherstellung)
    die absoluten Zahlen über Investitionssummen für erneuerbare Energien unterschiedlich großer Staaten sind als Standard-Größe zu unpräzise für einen aussagekräftigen Vergleich.
    Zahlen sind gut, aber sie sollten nicht tendenziös verwendet werden und valide vergleichbar sein.

  3. micc

    vor 6 Jahren

    Der Artikel ist enttäuschend flach: Die Emissionen der Vorkette werden nicht belegt oder erläutert, der angedeutete Vergleich mit dem Tesla wird nicht zu Ende gebracht (wie groß sind seine Emissionen well to wheel bei Tempo 160?).
    Prinzipiell begrüße ich aber, dass hier der Stammtischparole vom schmutzigen E-Auto mal entgegnet wird.

  4. nik

    vor 6 Jahren

    Dem Stimme ich uneingeschränkt zu, ich bin auch etwas enttäuscht. Für die "60 bis zu 170 Gramm CO2/km" für die Vorkette, hätte ich gerne Quellenbelege gesehen. So kann doch niemand etwas damit anfangen.

    Die Angelegenheit mit der Stromquelle lässt sich recht einfach entkräften. Interessant wären daher eher ein paar Daten zu den Produktionsemissionen von Antriebs- und Abgasstrang von Verbrennern (als Vergleich zur Schweden Studie) gewesen. Hierzu findet man aber kaum Zahlen.
    Diese Studie aus Schweden ist ja momentan sowas wie der Heilige Gral der Kritiker, auch wenn die Studie selbst garkeinen Vergleich zu Verbrennern anstellt und alle Artikel darüber deswegen auch totaler Unfug sind. Mir fällt es schwer zu glauben, dass die Produktion der Zellen für den Akku und alles drum und dran mehr Emissionen verursacht als die 10-fach höhere Anzahl an Komponenten für den Verbrennungsmotor (für jedes Teil braucht es ja fast einen eigenen Hersteller, mit eigenen Maschinen und eigener Logistik).

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