Wie lange werden wir in Deutschland noch Kohlekraftwerke benötigen?

Gastautor Portrait

Hubertus Grass

Kolumnist

Nach Studium, politischem Engagement und Berufseinstieg in Aachen zog es Hubertus Grass nach Sachsen. Beruflich war er tätig als Landesgeschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen, Prokurist der Unternehmensberatung Bridges und Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden. 2011 hat er sich als Unternehmensberater in Dresden selbständig gemacht.

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04. Dezember 2014
Hier kommt die Auswertung unserer letzten Umfrage zu aktuellen Energiepolitik, Umfrage, Energiewende aktuell
Wie lange werden wir in Deutschland noch Kohlekraftwerke benötigen?

Das fragten wir unsere Leserinnen und Leser in der letzten Umfrage. Mit 45 Prozent bekam die Antwort „Längerfristig als Back-Up“ eine relative Mehrheit. 12 Prozent votierten für „Gar nicht mehr – sofort abschalten!“, 19 Prozent für „Maximal 5 Jahre“ und 24 Prozent klickten die Antwort „Maximal 10 – 15 Jahre“ sollten Kohlekraftwerke noch laufen.  

Kohle Bagger RDK8Damit hat eine Mehrheit (55 zu 45 Prozent) bei uns im Blog dafür votiert, bis 2030 aus der Kohleverstromung auszusteigen. Nach dem Ausstieg aus der Atomkraft  (bis 2022) wenige Jahre später auch noch komnplett aus der Kohlekraft auszusteigen, wäre ein sehr, sehr ambitionierter Plan. Das geht sogar über die Forderungen von Greenpeace hinaus, die den Ausstieg aus der Braunkohle bis 2030 und den aus der Steinkohle bis 2040 anstreben.
Schon 2010 hatte Greenpeace mit dem Klimaschutzplan B 2050 versucht zu zeigen, dass es möglich sei, bis 2050 unser Energiesystem komplett auf Erneuerbare Energien umzustellen und schon in ein paar Jahren ohne Kohlekraftwerke auszukommen.  

Eine Berechnung der Mehrkosten, die eine Komplettumstellung verursachen würden, hat Greenpeace nicht vorgelegt. Im gleichen Jahr wie Greenpeace veröffentlichte der aus namhaften Instituten bestehende Forschungsverbund Erneuerbare Energien (FVEE) seine Vision für ein nachhaltiges Energiekonzept auf Basis von Energieeffizienz und 100% Erneuerbaren Energien. Dort heißt es auf Seite 5 zu den Kosten: „Das Energiesystem 2050 wird volkswirtschaftlich bei optimaler Auslegung nicht teurer als das gegenwärtige.“ 

Seither haben mehrere Untersuchungen gezeigt, dass es aus technischer Sicht machbar ist, nicht nur die Stromversorgung, sondern unser gesamtes Energiesystem, also auch die Wärmeversorgung und die Mobilität, auf Erneuerbare Energien umzustellen. Kohle, Öl und Gas sind – daran gibt es im Grundsatz keine Zweifel – Auslaufmodelle. Zu diskutieren sind die Geschwindigkeit des Umstiegs, die Harmonisierung der Schritte in der EU und die wirtschaftlichen Auswirkungen. Zentrale Parameter, die die Entscheidungen in den kommenden Jahren beeinflussen warden, sind der technische Fortschritt, die Kosten des Systems, die Preisentwicklungen bei den fossilen Brennstoffen sowie die Folgen des Klimawandels und der daraus resultierende Druck auf die Politik.

Kostentreiber eines Energiesystems, das die Kohlekraftwerke überflüssig macht, wird nicht der Netzausbau sein. Mit geschätzten Kosten von 0,5 Cent pro Kilowattstunde kommen wir da noch relativ preiswert davon. Viel kostspieliger werden das Vorhalten von gigantischen Überkapazitäten in der Erzeugung und die Transformation und/oder die Speicherung von Energie. Das Fraunhofer Institut für solare Energiesysteme ISE hat in ihrer Untersuchung 2013 nachgewiesen, dass das Klimaschutzziel 2050 – eine Minderung der CO2-Emissionen um mindestens 80% gegenüber 1990 – unter dem Gesichtspunkt der Kostenoptimierung dann erreichbar sein wird, wenn mehr Blockheizkraftwerke als heute im Verbund mit einem Rest klassischer Kraftwerke einem Energiesystem als Backup dienen, in dem die Erneuerbaren fast 80% der energetischen Leistung (Strom, Wärme und Mobilität) zur Verfügung stellen.  

Quintessenz: Unsere Umfrage bestätigt andere Untersuchungen, die eine Mehrheit für einen mittelfristigen Ausstieg aus der Kohleverstromung sehen. Für das Erreichen der Klimaschutzziele ist es unerheblich, ob es bis 2040 zu einem Komplettausstieg kommt, oder ob einzelne, moderne Kraftwerke noch weiterhin als Backup zur Verfügung stehen. Jetzt kommt es darauf an, die nicht mehr benötigten Altkraftwerke mit Wirkungsgraden unter 30% vom Netz zu nehmen, die das Erreichen des Klimaschutzziels einer 40% Reduktion bis 2020 gefährden 

Unsere Umfrage lief vom 17. bis zum 30. November, an ihr nahmen 139 Personen teil.

Zu unserer aktuellen Umfrage geht es hier lang.

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  1. Kilian Rüfer

    vor 9 Jahren

    Hallo,

    in diesem Artikel ist nur eine halbe Antwort enthalten. Die Fragen der Umfragen wurden selbst formuliert. Die Antworten sind andere, als in der Argumentation zu finden sind.

    Antwort: Mit 45 Prozent bekam die Antwort „Längerfristig als Back-Up“ eine relative Mehrheit.

    Text: Nun hat eine Mehrheit (55 zu 45 Prozent) hat im Blog dafür votiert, bis 2030 aus der Kohleverstromung auszusteigen. Fehler. Es haben 24 % laut Ihren Angaben für den Ausstieg in 10 - 15 Jahren gevotet.

    Nun lese ich als Lösung, dass man mit den ältesten Meilern anfangen muss. Soweit so gut. Das spricht mir aus der Seele. Einen echten Ausstiegs- oder Reduktionspfad der Kohlekapazität kann ich hier jedoch nicht finden. Hier steht nur, dass der Vorschlag von Greenpeace teuer sei. Sind wir da wieder bei 10,2 GW Kohle laut ENERGIESYSTEM DEUTSCHLAND 2050? Dort geht es um das Mindestziel 80 % weniger CO2 in 2050. Sehr ergeizig - aber reicht nicht für Klimaschutz. Das ist es wofür die Mehrheit in Ihrer Befragung gevotet hat. Ich hätte mir Ihre Antwort auf die Frage in der Überschrift gewünscht.

    Ein solches Voting ist nebenbei gesagt sehr leicht manipulierbar: Ein Mailing an eine entsprechend eingestellte Personengruppe reicht. Das will ich nicht unterstellen. Möglich wäre es aber leicht.

  2. DEZ Moderator, Hubertus Grass

    vor 9 Jahren

    Danke für die Erwiderung.

    "Hier wird über etwas diskutiert wobei die EnBW durchaus Teil des Problems ist und auch Teil der Lösung werden kann."
    Dieser Energiewendeblog ist doch kein EnBW-freier Raum! Fast zu jedem Thema gibt es einen oder mehrere Beiträge aus den Reihen der EnBW. Aber hier soll auch nicht der Ort sein, der durch EnBW -Stellungnahmen dominiert wird.

    Auch grundsätzlich hat die EnBW zum Vorhaben der Energiewende Position bezogen. Hier geht es zur EnBW-Strategie 2020: https://www.enbw.com/unternehmen/investoren/strategie/index.html

    Als Moderator, der nicht für die EnBW spricht, kann ich nur dazu ermutigen, sich mit den hier im Blog und sonst von der EnBW dargelegten Position kritisch auseinander zu setzen.

    Ihre Frage "Sollen den Dialog nur andere auf einer Plattform führen?" kann ich nur verneinen - hier ist der richtige Ort.

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  3. Kilian Rüfer

    vor 9 Jahren

    Nun gut. Lesen und kritische diskutieren ist gut. Der Blog heißt doch Dialog * Energie * Zukunft. Sollen den Dialog nur andere auf einer Plattform führen? Eigene Positionen und auch Positionen der EnBW faände ich dabei schon interessant. Wenn Besucher Meinungen äußern und man sich bedeckt hält, dann ist das ein taktischer Vorteil. Hier wird über etwas diskutiert wobei die EnBW durchaus Teil des Problems ist und auch Teil der Lösung werden kann.

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  4. DEZ Moderator, Hubertus Grass

    vor 9 Jahren

    Danke für den Kommentar.

    Entscheidend für den Klimaschutz ist nicht die vorgehaltene Kapazität, sondern die Jahresleistung. Die erwähnte Studie geht von Reserven in Höhe von 7,3 GW Steinkohle und 2,8 GW Braunkohle aus, die aber nur mit einer Nennleistung von 40 bzw. 50% betrieben werden. (s. Seite 14)
    Zum Reduktionsziel in der Studie: "Bis zum Jahr 2050 sollen die Treibhausgas-Emissionen Deutschlands um mindestens 80 %, nach Möglichkeit aber 95 % der Emissionen.. abgesenkt werden." s. Seite 5

    Sie schreiben: "Einen echten Ausstiegs- oder Reduktionspfad der Kohlekapazität kann ich hier jedoch nicht finden". Das sehe ich auch nicht als meine Aufgabe an. Es gibt neben den erwähnten Studien zahlreiche andere, die die Zukunft der Energiewende in Deutschland beschreiben. Wenn ich dazu beitragen kann, dass sie kritisch gelesen und debattiert werden, bin ich zufrieden.

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