Neue Prämissen für die Netzplanung

Gastautor Portrait

Robert Mieth

Gastautor

Der gebürtige Dresdner ist seit 2011 Mitarbeiter am Fachgebiet für Wirtschafts- und Infrastrukturpolitik an der Technischen Universität Berlin. Nach dem Studium Wirtschaftsingenieurwesen mit der Fachrichtung Elektrotechnik an der TU in Berlin folgte ein Masterstudium Elektrotechnik und seit 2013 die Beschäftigung mit Energiewirtschaft und Stromsektormodellierung in den Projekten des Fachgebietes und des DIW Berlins. In 2014 arbeitete er an einem Projekt zur Verbesserung der langfristigen Strommarktprognose bei Vattenfall Schweden in Stockholm.

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20. Mai 2015
Netzausbau, Übertragungsnetz, Energiewende aktuell

Bundesnetzagentur berücksichtigt klimapolitische Ziele im Kontext des Netzausbaus

Über die Notwendigkeit der Wandlung des Energieversorgungssystems zum Schutz des globalen Klimas und zur Abkehr von endlich verfügbaren fossilen Energieträgern in den kommenden Jahrzehnten herrscht sowohl national als auch international weitgehende Einigkeit. Dies zeigen das kürzlich veröffentlichte Grünbuch sowie das Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 der Bundesregierung. Auf europäischer Ebene wird am Ziel der weitest gehenden Dekarbonisierung  festgehalten und die internationalen Klimaschutzkonferenzen geben, zwar ohne konkret bindende Maßnahmen, zumindest entsprechende weltpolitische Signale und Empfehlungen um das globale 2-Grad Ziel noch zu erreichen.

In den Rahmenbedingungen dieser Energiewende befindet sich das deutsche Stromversorgungssystem derzeit bereits in einer Phase des Umbruchs. Politisch stehen derzeit vor allem die, nach Abschaltung der Atomkraftwerke, erwartete negative Leistungsbilanz in Süddeutschland sowie Netzbelastungen durch entsprechend entstehenden Transportbedarf und steigender Einspeisung von Windenergie im Norden zur Diskussion. Auch die Strategien großer Energieversorger erlebten in den vergangenen Monaten gesteigerte öffentliche Aufmerksamkeit: E.on teilte sich in ein zukunftsorientiertes Unternehmen und eine energiewirtschaftliche „Bad Bank“  auf und und der schwedische Konzern Vattenfall kündigte den vollständigen Rückzug aus dem Geschäft mit Braunkohle an.

Netzentwicklungsplan kein Instrument zur Umsetzung der Energiewende

Die Energiewende im deutschen Stromsektor schreitet voran und mit ihr auch die Diskussion Netzausbau, Stromnetzüber die Weiterentwicklung und den Ausbau des Hoch- und Höchstspannungsnetzes. Die Aufgabe der Netzbetreiber ist dabei klar gesetzlich geregelt: ein Stromtransportnetz bereitzustellen, welches die aus der Strombörse resultierenden Kraftwerksfahrpläne (Dispatch) so oft wie möglich aufnehmen und verteilen kann. Wettbewerb zwischen Kraftwerksbetreibern soll so möglich gemacht und gefördert werden und alle Erzeugungskapazitäten nach aufsteigenden Kosten genutzt werden können (Merit-Order-Prinzip). Damit wird der Netzplanung ein, implizit als effizient angenommenes, Marktergebnis zugrunde gelegt, das bspw. Braunkohlekraftwerke aufgrund ihrer vergleichsweise niedrigen Erzeugungskosten fast immer enthält. Damit sollte auch ohne komplizierte Modellrechnungen klar sein, dass im derzeitigen politischen und institutionellen Rahmen der Netzentwicklungsplan nicht das Instrument ist, die Energiewende durchzusetzen.

Jede Methode, die unabhängig vom entstehenden Marktergebnis das Ziel hat, die entstehenden Engpässe zu minimieren, wird per se keine Ausbaumaßnahmen identifizieren, die den Zielen der Energiewende dienen. Dazu ist die Methode der Netzbetreiber, die einzig die Aufgabe haben, Netzstabilität zu gewährleisten, nicht geschaffen. Für Klimaschutz, Wettbewerb und Preisregulierung ist die Politik zuständig und nicht die Übertragungsnetzbetreiber. Somit ist es nicht verwunderlich, dass die bisher identifizierten Netzausbaumaßnahmen auf einem Energiemix beruhen, welcher die klimapolitischen Ziele der Bundesregierung nicht erreichen kann und auch nicht wird[1]. Es ist abwegig zu glauben, dass durch die Netzausbauplanung ein bestimmtes Marktergebnis hervorgerufen wird. Das Gegenteil ist der Fall.

Bundespolitische Signale für Energiewende unerlässlich

Sollen also im Rahmen der Netzplanung klimapolitische Ziele berücksichtigt werden, müssen diese im Marktergebnis zustande kommenden Dispatch schon entsprechend berücksichtigt sein. Allerdings existiert bis dato zur Kontrolle des Marktergebnisses in Bezug auf die klimapolitischen Ziele, abgesehen von der im EEG festgelegten vorrangigen Einspeisung von erneuerbaren Energien, nur das Instrument des europäischen Handel mit Emissionszertifikaten (ETS). Dass der ETS kurz- und mittelfristig keine ausreichenden Signale für eine signifikante Beeinflussung des Marktergebnisses setzt, wurde wiederholt gezeigt.[2] Wenn die Energiewende erfolgreich weitergeführt werden soll, sind konkrete bundespolitische Signale unerlässlich.

Als solches ist der Szenariorahmen 2025 zu werten. Darin hat die Bundesnetzagentur erstmals Stromleitung_01Klimaschutz als sozio-politischen Rahmen der Modellrechnungen unmittelbar in die Netzplanung aufgenommen. Der vorangegangene Entwurf der Übertragungsnetzbetreiber, welcher insbesondere mit zweifelhaften Annahmen insbesondere bezüglich der zukünftigen Braunkohlekapazitäten auffiel, wurde durch einen Energiemix ersetzt, der in der Lage sein kann, die energiepolitischen Ziele Deutschlands zu erreichen. Damit wird die Netzentwicklung endlich auf einen von der Politik vorgegebenen klimapolitischen Sollzustand ausgerichtet. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Zusätzlich sind durch das Grünbuch und durch das anstehende Weißbuch Maßnahmen eingeleitet worden, welche direkten Einfluss auf den Energiemix nehmen. Es ist wichtig festzuhalten, dass die Energiewende als übergeordnetes gesellschaftliches Ziel nur erreicht werden kann, wenn entsprechend konsequent gehandelt wird. Es reicht nicht aus, eindimensionale Instrumente für das Gelingen der Energiewende verantwortlich zu machen.

Für mehr Informationen siehe auch: Mieth et. al. (2015): Stromnetze und Klimaschutz: neue Prämissen für die Netzplanung. DIW Wochenbericht 6/15. S. 91-96. Berlin.


[1] Vgl. ebenda, S. 57.
[2] Vgl. Oei, P.-Y. et al. (2014): Braunkohleausstieg – Gestaltungsoptionen im Rahmen der Energiewende, DIW Berlin Politikberatung Kompakt 84/2014, S. 90.


Ko-Autoren dieses Beitrages sind Prof. Dr. Christian von Hirschhausen und Richard Weinhold. 

Prof. Dr. Christian von Hirschhausen studierte Volkswirtschaftslehre und Porf. von HirschhausenWirtschaftsingenieurwesen und promovierte 1995 an der École nationale supérieure des mines de Paris in Betriebswirtschaftslehre zur Privatisierung osteuropäischer Kombinate. Er leitet das Fachgebiet Wirtschafts- und Infrastrukturpolitik  (WIP) an der TU Berlin und forscht in den Bereichen Energie, Verkehr, Umwelt, Unternehmen und Märkte.

Richard Weinhold studierte Wirtschaftsingenieurwesen mit der richard_weinholdFachrichtung Elektrotechnik an der Technischen Universität Berlin und ist dort seit 2013 Mitarbeiter am Fachgebiet für Wirtschafts- und Infrastrukturpolitik. Seitdem war der Freiburger Wahlberliner an verschiedenen Projekten und Veröffentlichungen der Arbeitsgruppe sowie des DIW Berlin beteiligt, wie bspw. der Beteiligung des Institutes am Bayrischen Energiedialog. 

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