Neue Wege in der Taxi-Branche – Geschäftsmodelle gegen den Uber-Schock

Gastautor Portrait

Susanne Schatzinger

Fraunhofer IAO

Die Diplom-Geographin ist Projektmitarbeiterin am Fraunhofer IAO im Bereich Urban Systems Engineering und forscht unter anderem über die Zukunft der Taxi-Branche im Rahmen unterschiedlicher internationaler Projekte. Nach Studium in Tübingen am Geographischen Institut und Aufenthalten in Shanghai und Peking für ein Mandarin-Studium begann sie 2011 ihre Karriere in der Fraunhofer-Gesellschaft. Jüngstes Projekt ist u.a. die Initiative FutureCitiesBW, eine vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg geförderte Einrichtung zur Unterstützung der lokalen Wirtschaft und Wissenschaft im Bereich nachhaltiger Urbanisierung im Ausland.

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07. November 2016
Das Ambient Mobility Projekt ist eine Kooperation des Fraunhofer IAO und des MIT.

Bis vor nicht allzu langer Zeit funktionierte in der Taxi-Branche alles nach altbekannten Mustern: der Fahrgast ruft an oder winkt und erklärt, man möge sich doch bitte um eine rasche und sichere Beförderung der eigenen Person von A nach B kümmern – gegen entsprechendes Entgelt, versteht sich. Prinzipiell hat sich das auch in den letzten Jahrzehnten kaum geändert – und genau das ist das Problem.
Wie das Taxisystem in Zukunft effizienter organisiert werden kann, damit beschäftigt sich das Forschungsprojekt „Future Urban Taxi“ des Fraunhofer IAO in Kooperation mit dem Senseable City Lab am Massachusetts Institute of Technology (MIT). In einer Fallstudie der Stadt Hamburg wurden Experten zu diesem Thema befragt und es werden Taxis ausgewertet.

64% der gefahrenen Kilometer werden in Städten gefahren worden.

Im Rahmen dieses Projekts hat sich u.a. eine studentische Gruppe der European Business School ESB in Reutlingen mit dieser Thematik auseinandergesetzt. Ergebnisse aus dem studentischen Projekt sowie dem Fraunhofer-Projekt ist eine spannende Dokumentation mit dem Titel »Zukunftsbranche Taxi?« an Fallbeispielen verschiedener Städte. Zunächst wurden darin die Besonderheiten weltweit neuer Geschäftsmodelle vorgestellt und anschließend der klassische Taxisektor in den Städten Hamburg und Berlin detailliert untersucht. Erklärtes Ziel dabei war es, potenzielle Handlungsempfehlungen für die Taxibranche aber auch für die Stadt abzuleiten, welche zu zukünftigen Verbesserungen der bestehenden Situation führen können.

„Es macht einfach keinen Sinn, durchschnittlich zwei Tonnen Blech durch die Gegend zu fahren, wenn statistisch gesehen nur 1,2 Passagiere befördert werden“, sagt Dr. Jessica Le Bris in einem Interview von Green City Projekt. Sie forscht im Verbundprojekt „Adaptive City Mobility (ACM)“ gemeinsam mit Partnern dazu, wie das Fahrzeug Taxi der Zukunft aussehen kann – somit ein weiteres Forschungsprojekt, welches sich der Zukunft einer tradierten Branche widmet. „Zu beobachten ist, dass Menschen in den Ballungsgebieten aus Kosten-, Zeit- und Umweltgründen auf den Zweitwagen oder teilweise auch komplett auf das Familienauto verzichten. Dabei wird Mobilitätsbudget in den Haushalten frei von mindestens 500 Euro im Jahr, das wird neu verteilt auf Bus- und Bahnfahrkarten, Carsharing und eben auch auf das Taxi.“, kommentiert Branchen-Kenner Alexander Mönch in einem Interview zu den Veränderungen in der Taxi-Branche.

Status Quo – Taxi-Branche in Aufruhr

Der Taxisektor ist einer der letzten streng regulierten Märkte in Deutschland und kämpft seit geraumer Zeit mit einer Vielzahl von neuen Herausforderungen. Beförderungszahlen stagnieren, die digitale Konkurrenz drängt in Form von Vermittlungs-Apps wie myTaxi auf den Markt und der seit kurzem eingeführte Mindestlohn treibt dem ein oder anderen Taxiunternehmer die Schweißperlen auf die Stirn. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass ohnehin schon die mangelnde Wirtschaftlichkeit beklagt wird und aktuellen Schätzungen zufolge zudem rund 20 Prozent aller Fahrten am Fiskus vorbei abgerechnet werden.

Die wohl größte Sorge der alteingesessenen Akteure sind die neuen, alternativen und innovativen Anbieter wie z.B. Uber. Mit der Kernidee, die Personenbeförderung per App an private PKW-Besitzer zu vermitteln, bewegt sich Uber aktuell noch in einer rechtlichen Grauzone und stößt damit bei den klassischen Taxifahrern auf keine allzu große Gegenliebe. Das ist auch der Grund, warum sich beispielsweise Stuttgarter Taxizentralen mittels einer Unterlassungsklage schon im Vorfeld gegen einen potenziellen Markteintritt des Unternehmens zur Wehr gesetzt haben und damit Erfolg verzeichnen konnten: Uber kommt vorerst nicht nach Stuttgart und Umgebung – aber Schlupflöcher sind vorhanden und es bleibt abzuwarten, bis diese genutzt werden. Die Taxibranche muss definitiv neue Wege und Geschäftsmodelle gehen, denn Experten gehen davon aus, dass viele der Regulierungsbestandteile im digitalen Zeitalter überholt sind und mittel- bis langfristig die Vorschriften gelockert werden müssen.

Was kann getan werden, um die Weichen für die Zukunft zu stellen?

Aus den Analyseergebnissen wurden in der Projektarbeit potenzielle Handlungsempfehlungen Bis 2050 wird sich der städtische Verkehr verdreifachen. Auch die Taxi-Branche trägt ihren Anteil dazu bei.entwickelt und hinsichtlich ihrer Relevanz bewertet.
Klassische Taxiunternehmen stehen Veränderungen meist sehr skeptisch gegenüber, während alternative Anbieter sich überwiegend dafür aussprechen. Die rechtlichen Vorgaben und Regulierungen stellen dabei den kritischsten Punkt in der Taxibranche dar. Die Meinungen der verschiedenen Akteure zu den einzelnen Aspekten gehen teils deutlich auseinander.

Allerdings bestand Konsens, dass sich die Branche verändern muss, vor allem durch neue Technologien, wie z.B. bargeldlose Bezahlungen oder anwenderfreundlichere Taxibestellungen, das Teilen von Fahrten oder Preisanpassungen. Der Einsatz moderner Technologien kann dabei helfen, neue Kundensegmente zu erschließen. Außerdem werden von den Experten nahezu übereinstimmend eine bessere Integration in das ÖPNV-Netz, die Bereitstellung von Sonderausstattungen und das Offerieren von zusätzlichen Serviceleistungen wie z.B. Gütertransporten befürwortet.

Abwarten und hoffen oder anpacken und handeln?

Alle beteiligten Akteure müssen sich mit den neuen Herausforderungen und veränderten Rahmenbedingungen der Branche auseinandersetzen. Gerade weil die aktuelle Marktsituation angespannt ist, müssen Innovationen vorangetrieben werden, damit das Taxi wieder als attraktive und verstärkt umwelt- und klimafreundliche Mobilitätsform, Stichwort Hybrid- und Elektrofahrzeuge, wahrgenommen wird. Bislang kämpfen die klassischen Akteure allerdings noch um den Erhalt ihrer rechtlichen »Schutzzone«. Sollten sich die Gesetze jedoch ändern oder gelockert werden, wie z.B. schon Anfang 2013 im Fernbusmarkt geschehen, wird sich die Marktsituation von Grund auf ändern.

Das Mobilitätsverhalten sowie die Ansicht darüber, was Mobilität in Euro und Emissionen kosten darf, haben sich in den letzten Jahren grundlegend geändert. Die interessanten Carsharing-Konzepte sowie Mitfahrzentralen tragen ihr Übriges dazu bei, die Taxibranche in den Schatten zu stellen. Es bleibt somit spannend, inwiefern sich die alternativen Geschäftsmodelle auf dem Markt beweisen können und ob die Regierung gesetzliche Änderungen vornehmen wird – nur so können wirklich tiefgreifende Änderungen umgesetzt werden. Das klassische Taxi als Verkehrsmittel wird natürlich vorerst weiterhin Bestand haben. Allerdings gilt es abzuwarten, inwieweit sich der strukturelle Wandel auf diesen Bereich auswirken wird.

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  1. Jean-Luc

    vor 5 Jahren

    Etwas das nicht, und das hängt wohl auch mit den Menschen zusammen die solche Studien machen ist das man auch mal darüber nachdenken sollte dass nicht die Taxifahrer sondern das Pbg an der ganzen der ganzen Verkrustung schuld ist. Gerne würden die Taxifahrer auch andere Formen des starren Gesetzes anbieten. Hier stellt sich doch nicht die Frage des Wollens sondern des Dürfens . Als erstes ist hier doch die klare Tarifstruktur die die der Brange ein Riegel vor schiebt auch ohne Studien zu machen. Und ja wenn es diverse Möglichkeiten gäbe würde die Taxifahrer das auch bedienen. Als zweites würde ich mir auch Wünschen das man hier mal über das Fahrzeug an sich nach denkt. Die Pb schreibt technische Voraussetzung vor. Warum nicht ein Zweisitzer für die Stadt der vielleicht nur eine Reichweite von 200 km hat aber nur 500 kg schwer ist und nicht wie vorgeschrieben 2 Türen rechts haben muss das würden meiner Erfahrung auch viele Menschen als Umweltschonend empfinden. Man braucht in der Stadt oft keine Limousine. Also geben Sie den Brange eine Chance sich zu beweisen und ich bin sicher das Vieles auch schon so viel besser gemacht werden kann.

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