Studie: Neuzulassungsverbot für Verbrenner als Chance für den deutschen Wirtschaftsstandort

Gastautor Portrait

Christiane Schatzmann

EnBW Energie Baden-Württemberg AG

Christiane Schatzmann-Felden studierte Politikwissenschaften in Bonn und absolvierte danach ein Zeitungsvolontariat. Anschließend arbeitete sie u.a. als Pressereferentin im Bundesministerium für Verkehr und als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bundestag. Seit 2001 kümmert sie sich in der Berliner Hauptstadtrepräsentanz der EnBW als Projektleiterin um Kommunikationsformen rund um die Energiepolitik.

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10. Oktober 2017

Vor dem Hintergrund eines diskutierten Verbots von Autos mit Verbrennungsmotor in Deutschland sowie des bereits angekündigten Verbots von konventionellen Pkw mit Verbrennungsmotoren in Frankreich und England hat auch das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI in einem Arbeitspapier die möglichen Arbeitsplatzeffekte und Wertschöpfungswirkungen eines Wandels von konventionellen Pkw hin zu Elektrofahrzeugen für Deutschland analysiert. Als Basis für die Studie mit dem Titel: „Perspektiven des Wirtschaftsstandorts Deutschland in Zeiten zunehmender Elektromobilität“ dienten eigene Analysen über die jetzige und mögliche künftige Wettbewerbsposition der deutschen Automobilindustrie bei Elektrofahrzeugen sowie Auswertungen von nationalen und internationalen Studien zu diesem Thema.

Während die bei uns vorgestellte Studie des Verbands der Automobilindustrie (VDA) die potenziellen negativen volkswirtschaftlichen Folgen eines Verbots von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor herausarbeitet, sehen die Expertinnen und Experten des Fraunhofer ISI im Umstieg von konventionellen Pkw auf Elektrofahrzeuge für den Wirtschaftsstandort Deutschland durchaus Chancen und Potenziale für positive Effekte bei Arbeitsplätzen und Wertschöpfung. Hierfür müsse der Wandel aber aktiv gestaltet werden.

Die Autoren des Arbeitspapieres kommen zu folgenden Schlussfolgerungen:

  • Deutsche OEM (Original Equipment Manufacturer) halten aktuell beim Verkauf von Elektrofahrzeugen Marktanteile von weltweit fast 20 %. Unter gleichbleibender Marktposition verspricht der Wandel zur Elektromobilität ähnlich positive Effekte auf Arbeitsplätze und Wertschöpfung in Deutschland wie die Herstellung von konventionellen Fahrzeugen.

Arbeitsplatxzverlust durch Rückgang der Verbrennungsmotoren

  • Deutschland hat einen hohen Exportanteil von 60 % der im Inland hergestellten konventionellen Fahrzeuge. Weiterhin sind die Marktanteile der Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge (PHEV), d.h. batterie-elektrische Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, weltweit auf heute bereits knapp 40 % bei den Elektrofahrzeugen gestiegen. Werden diese Positionen gehalten, so wird durch diese beiden Effekte ein schneller Ausstieg aus dem Verkauf von konventionellen Fahrzeugen in Deutschland nur bedingt negative Auswirkungen auf Arbeitsplätze und Wertschöpfung in den Branchen haben, welche ausschließlich vom Verbrennungsmotor in Deutschland abhängen. Steigen allerdings alle oder fast alle wichtigen Automobilländer aus, so ändert sich das Bild.
  • Bei den PHEV hat Deutschland derzeit eine gute Marktstellung. PHEV könnten aber je nach Gesetzgebung auch von einem Verbot von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor betroffen sein. Aus klimapolitischen Gesichtspunkten sollte allerdings der deutlich positive Beitrag von PHEV, welche eine ausreichend elektrische Reichweite von mehr als 60 km aufweisen, berücksichtigt werden.

Wandel im Automobilbau braucht Weiterbildung und Umschulung

  • Eine Auswertung von Studien, die den Gewinn neuer Arbeitsplätze durch die Elektromobilität abzüglich des Verlusts von Arbeitsplätzen bei konventionellen Fahrzeugen ausweisen, zeigen für Deutschland unterschiedliche Ergebnisse. Sie kommen bis 2030 oft zu einer annähernd gleichbleibenden Anzahl oder sogar positiven Effekten auf Arbeitsplätze und Wertschöpfung.
  • Neben neuen Arbeitsplätzen in der Automobilindustrie wird u.a. eine Reihe an neuen Arbeitsplätzen in der Energiewirtschaft und durch neue Dienstleistungen gesehen. Es wird aber auch deutlich, dass die Ergebnisse davon abhängen, wie hoch die Durchdringung mit alternativen Technologien ist, wie sich der Anteil an importierten Vorleistungen für die Produktion von Elektrofahrzeugen entwickelt und wie das Produktivitätswachstum der Automobilindustrie ausfällt. Je nach Szenario gelangt man auch zu leicht negativen Folgen.
  • Es sind allerdings bisher erst wenige umfassende Studien zu gesamten Effekten durchgeführt worden. Sie sind weiterhin stark von Annahmen getrieben, und der Einfluss verschiedener Parameter wird oftmals nicht in Form von Sensitivitäten analysiert. Es wird somit ein Bedarf an weiteren, differenzierteren Studien zu sogenannten Brutto- und Nettoeffekten der Beschäftigung und Wertschöpfung durch den Wandel zur Elektromobilität gesehen.
  • Der Wandel zur Elektromobilität geht einher mit einem Strukturwandel, einer Verschiebung innerhalb der automobilen Wertschöpfungsketten und einem Wandel der Arbeitsplätze. Hierbei wird es wichtig werden, Ein- und Umschulungsangebote sowie generell neue Ausbildungsangebote zu schaffen, um künftige Fachkräfte auf diesen Wandel vorzubereiten.

Arbeitsplatzverluste bei Verbrennungsmotoren können kompensiert werden

  • Wenn es gelingt, die derzeitige gute Wettbewerbssituation der deutschen Industrie bei Elektrofahrzeugen zu erhalten oder sogar noch auszubauen, dann sind die Chancen gut, dass der Wandel hin zur Elektromobilität in der Summe positive Auswirkungen bei Beschäftigung und Wertschöpfung in Deutschland ergibt und Verluste bei Verbrennungsmotoren kompensiert werden können. Dieser Wandel sollte deshalb aktiv gestaltet werden.
  • Dazu gehört es, die bestehenden Schwachpunkte, beispielsweise bei der Batteriezellproduktion, zu beseitigen, den Wandel der Industriestrukturen aktiv anzugehen und die Erschließung neuer Geschäftsmodelle voran zu treiben. Weiterhin gilt es, mögliche negative Effekte bei der Herstellung von konventionellen Antriebssträngen und außerhalb des Verarbeitenden Gewerbes, wie beispielweise im Handel und Instandhaltung, zu kompensieren.

Die grundsätzliche Bewertung eines Zulassungsverbots von Pkw mit Verbrennungsmotoren und die Frage, ob nicht andere Maßnahmen zur Einleitung des Wandels hin zur Elektromobilität sinnvoller wären, werden in dem Arbeitspapier nicht diskutiert.

Die Studie können Sie in unserer Energiebibliothek herunterladen.

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  1. Dr. Roland Aßmann

    vor 6 Jahren

    Die Beurteilung eines Konzeptes erfordert eine ganzheitliche Betrachtung. Das beginnt beim Wort "Ökostrom". Dahinter stehen massive finanzielle Interessen. Elektroautos fahren lokal emissionsfrei, zwingen aber zur umwelt-, landschafts- und anwohnerschädlichen Windenergie. Hinzu kommt, Wind und Sonne sind in Deutschland meteorologisch, jahres- und tageszeitlich bedingt volatil. Auch beim Thema Stromspeicher treten wir auf der Stelle. Weiterhin steht die Windenergie im Gegensatz zur landläufigen Meinung nicht unbegrenzt zur Verfügung. Kam das Umweltbundesamt in der Studie "Potenzial der Windenergie an Land" 2013 zu einem Potenzial von etwa 3,3 MWi/qkm, so kommt eine im September 2016 veröffentlichte Studie des Max-Planck-Instituts nur auf 0,3 MWi/qkm. Die Differenz resultierend aus der Rückwirkung der Windräder auf den Wind.
    Dieses Dilemma lässt sich nur über Autos mit Brennstoffzelle lösen. Zwar ist das Auto komplizierter und teurer sowie der Wirkungsgrad niedriger. Dafür ist die Infrastruktur einfacher, die Energie speicherbar und die Stromerzeugung kann global dort erfolgen wo Erneuerbare Energien konstanter und mit höherer Leistungsdichte zu Verfügung stehen. Diese Regionen sind oftmals dünn- oder unbesiedelt, ein weiterer wichtiger Aspekt für die Ökobilanz.
    Eine unterschätzte Option stellen CO2-neutrale synth. Kraftstoffe dar. Ihre Reinheit eröffnet bei der Abgasreinigung neue Perspektiven, ihre Energie kann ebenfalls global erzeugt werden. Bereits eine Solarfläche von etwa 100 x 100 km wäre bei Annahme realistischer Wirkungsgrade über Power-to-Liquid ausreichend, den kompl. Energiebedarf von Deutschland zu decken. Zum Vergleich: Das BMWi gibt an, dass alle 28.000 WEA in 2016 nur 2,1% unserer Primärenergie erzeugt haben, wovon der nicht unerhebliche Aufwand der Windradherstellung, -installation, -betrieb- und -demontage sowie ggf. Speicherverluste noch abgezogen werden müssten.

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