Energiewende aktuell: Speichermöglichkeiten und ihr Potenzial

Gastautor Portrait

Hubertus Grass

Kolumnist

Nach Studium, politischem Engagement und Berufseinstieg in Aachen zog es Hubertus Grass nach Sachsen. Beruflich war er tätig als Landesgeschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen, Prokurist der Unternehmensberatung Bridges und Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden. 2011 hat er sich als Unternehmensberater in Dresden selbständig gemacht.

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29. Juni 2015

Energiespeicher sind die Achillesferse der Energiewende. Nur wenn es uns gelingt, die Energieversorgung zu einem vertretbaren Preis (!) unabhängig von den Launen des Wetters zu machen, werden wir die Energiewende als internationales Leuchtturmprojekt zum Erfolg führen. Eine andere Variante, um auf das fluktuierende Angebot an Sonnen- und Windstrom zu reagieren, sind sogenannte Flexibilitätsoptionen, wie die großräumige Vernetzung des Strommarktes oder die IT-geschützte Anpassung des Verbrauchs an die Erzeugung. Doch ihre Wirkung ist begrenzt. Spätestens bei einem erneuerbaren Stromanteil von über 60 Prozent müssen wir neues Speicherpotenzial für die Energiewende erschließen.

Was ist mit „Potenzial für die Energiewende“ gemeint?

Bei unserer Umfrage setzen wir die vorhandenen, hierzulande wie global fast zu 100 Prozent aus Pumpspeicherkraftwerken (derzeit 9.240 MW in D) bestehenden Kapazitäten voraus. Wir zielen mit unserer Frage darauf ab, welche Technik die durch die Energiewende zusätzlich induzierte Nachfrage nach Speichern am besten befriedigen kann. Potenzial in diesem Sinne haben die Speichertechnologien, die

  • die Größe der Nachfrage befriedigen können,
  • sich in das Energiesystem der Zukunft einfügen,
  • die über ihren Lebenszyklus hinweg nachhaltig sind und
  • ihre Leistung zu einem wettbewerbsfähigen Preis anbieten.

Wie viel Speicherkapazität braucht die Energiewende?

Über die Größe des Speicherbedarfs besteht in der Wissenschaft keine Einigkeit. Die im Auftrag des BMWi erstellte Roadmap geht von 20.000 MW aus, andere Szenarien nennen über 85.000 MWRoadmapSpeicher, Energiewende akutell. Führt man eine Beispielrechnung mit dem Mittelwert von 50.000 Megawatt durch, hätten 10 Mio. Haushalte mit einem handelsüblichen Speicher von 5 KW das nötige Potenzial. Oder 2,5 Mio. Elektrofahrzeuge mit einem Aggregat von 20 KW. Die Herausforderung dieses Potenzial für die Energiewende zu erschließen, liegt sowohl bei den Kosten als auch in der Technologie, denn diese Kleinspeicher müssten alle bei Bedarf zur Verfügung stehen. Auch über die Lebensdauer der jetzigen Geräte mit ein paar tausend Zyklen wäre kritisch zu reden, denn eine Achillesverse muss harte Belastungen aushalten können.

Dena Flexiblitätsoptionen Strommarkt
Flexibilitätsoptionen

Von einer anderen Technologie, Power-to-Gas, ist bekannt, dass durch die Nutzung der vorhandenen Erdgasspeicher die mengenmäßige Bereitstellung keinerlei Problem darstellt. Hier steht die Forschung und Entwicklung vor der Aufgabe, die Transformationsverluste, die gegenwärtig noch bei ca. 60 Prozent liegen, deutlich zu verringern. Und auch der Preis der Umwandlung vom Energieträger Strom in Wasserstoff oder Methan ist noch lange nicht in dem Topf, wo es kocht. Ob das neue, vom Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff‐Forschung  (ZSW) koordinierte Power-to-Gas-Leuchtturmprojekt daran etwas ändern kann, bleibt abzuwarten.

Bei unserer Umfrage zu den Speichermöglichkeiten haben wir uns auf die gängigsten Technologien beschränkt. Ferner gehen wir nicht auf die Anforderung ein, dass wir einen, noch näher zu bestimmenden Mix an systemdienlichen Langzeit- und Kurzzeitspeichern brauchen werden. Wer meint, dass zum Beispiel Druckluftspeicher das größte Potenzial für die Energiewende haben, sollte die Kommentarfunktion unter diesem Beitrag nutzen und seine Einschätzung erläutern. Vielen Dank.

So einfach können Sie teilnehmen: Wählen Sie Ihre Antwortmöglichkeit aus, klicken Sie auf den Button „Abstimmen“ und schon sehen Sie das aktuelle Zwischenergebnis der Umfrage.
Unsere Umfrage läuft bis Sonntag, 12. Juli 2015 – wir freuen uns auf Ihre Meinung.

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  1. Otto Hein

    vor 9 Jahren

    Sehr geehrter Herr Grass!
    Die erforderliche Leistung schwankt je nach Tageszeit zwischen 60 und 90 GW (lt. Agora v. 1.7 - 7.7.). Bei einem Mittelwert von 75 GW und 24 Stunden ergibt dies einen Tages-Energiebedarf von 1,8 TWh.
    Im Falle einer "Dunkelflaute" kann nur ein geringer Teil des Energiebedarfs aus Biomasse und Laufwasserkraftwerken gedeckt werden, der Großteil der Energie muß aus Speichen wie PumpspeicherKW, BiomasseKW, Akkus etc. geliefert werden.
    Für Deutschland (ich bin Österreicher) schätze ich bei "Dunkelflaute" einen Tagesbedarf an elektrischer Energie von 1500 GWh.
    Das PumpspeicherKW Goldisthal hat zwar eine Leistung von 1GW, aber nur eine Kapazität, gespeicherte Energie, Arbeitsvermögen von 8 GWh. 190 Stück Goldisthal dürften für einen Tag Dunkelflaute genügen, dann ist der Speichersee leer.
    Für die nächsten 2 Tage schaut's dann finster aus.

    Herzliche Grüße,
    Otto Hein

  2. Otto Hein

    vor 9 Jahren

    Ein Artikel der die "...Größe des Speicherbedarfs..." in MW angibt, ist sinnlos.
    Warum begreifen Journalisten den Unterschied zwischen Leistung zB.in MW und Arbeit, Energie in MWh nicht?

  3. Windmüller

    vor 9 Jahren

    Nirgendwo steht geschrieben, dass wir 2020 bei 100 Ökostrom angelangt sein müssen. Wir liegen im Moment so um die 30%, und das ist erstaunlich, wenn man bedenkt, dass Experten zu berichten wussten, dass der Ökostromanteil in Deutschland niemals 5% übersteigen könne. von daher darf es ruhig noch eine Messerspitze Kohlestrom sein, um "Dunkelflaute" zu überbrücken.

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  4. Hubertus Grass

    vor 9 Jahren

    Danke, sehr geehrter Herr Hein, für diesen Hinweis. Aber es ist in der Tat so, dass die genannten Studien nur die Größe der kurzfristig zur Verfügung stehenden Leistung angeben.
    Beispielhaft können wir uns aber mal der Größenordnung der zu speichernden elektr. Arbeit nähern.
    Betrachten wir Deutschland als vereinigte Kupferplatte und nehmen drei Tage Dunkelflaute an, wie sie vorzugsweise im November auftritt, dann ergibt sich folgende Rechnung.
    Durchschnittlicher Strombedarf im Tagesmittel: ca. 60 GWh
    Residuallast nach Abzug von Biomasse-, Laufwasser- und Pumpspeicherkraftwerken: ca. 52 GWh
    Pro Tag müssten aus den Speichern bereit gestellt werden: etwas über 1,2 TWh
    An drei Tagen Dunkelflaute ca. 3,7 TWh.
    Dafür brauchte es dann ca. 150 Mio. Akkus aus PKWs mit 25 KWh Kapazität.
    Oder ca. 750 Mio. Solarspeicher a 5 KWh.
    Diese Zahlen machen mehr als deutlich, dass es keinen Sinn macht, nur auf den einen oder anderen Pfad zu setzen. Offensichtlich braucht die Energiewende eine Reihe von Pfaden - viele Speicher, ein gut ausgebautes europäisches (!!) Stromnetz und weitere Maßnahmen wie ein aktives Nachfragemanagement.

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