War watt? Saubere Luft durch Diesel

Gastautor Portrait

Hubertus Grass

Kolumnist

Nach Studium, politischem Engagement und Berufseinstieg in Aachen zog es Hubertus Grass nach Sachsen. Beruflich war er tätig als Landesgeschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen, Prokurist der Unternehmensberatung Bridges und Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden. 2011 hat er sich als Unternehmensberater in Dresden selbständig gemacht.

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04. Februar 2016
War watt? ist die energiepolitische Kolumne von Hubertus Grass. Hier geht es um die Energiewende. Wie bekommen wir die gut hin?

„Die Kommunen müssen Maßnahmen ergreifen, um die Stickstoffdioxid-Belastung in den Innenstädten schnellstmöglich zu reduzieren“. Wenn es um saubere Luft geht, versteht die Präsidentin des Umweltbundesamtes, Maria Krautzberger, keinen Spaß. Anlässlich der Vorstellung der Messergebnisse der Feinstaubwerte in 2016 machte sie in der letzten Woche ihre Forderungen auf: Ältere Diesel-Pkw sollen aus den Innenstädten verschwinden und Elektromobilität solle zunehmen.

Saubere Luft rettet Leben

Feinstaub besteht aus einem komplexen Gemisch fester und flüssiger Partikel und wird abhängig von deren Größe in unterschiedliche Fraktionen eingeteilt. Unterschieden werden PM10 (PM, particulate matter) mit einem maximalen Durchmesser von 10 Mikrometer (µm), PM2,5 und ultrafeine Partikel mit einem Durchmesser von weniger als 0,1 µm. In der Wissenschaft ist es seit Jahrzehnten unumstritten, dass Feinstaubemissionen vergleichbar dem Rauchen unsere Gesundheit belasten und für zahlreiche Todesfälle verantwortlich sind. Die möglichen Folgen reichen von Schleimhautreizungen und lokalen Entzündungen in der Luftröhre und den Bronchien bis zu verstärkter Plaquebildung in den Blutgefäßen, einer erhöhten Thromboseneigung oder Veränderungen der Regulierungsfunktion des vegetativen Nervensystems. In Kombination mit Feinstaub kann insbesondere Stickstoffdioxid zu schweren Gesundheitsschäden führen.

Recht auf saubere Luft

Nach zahlreichen Studien senkte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beim Feinstaub die empfohlenen Schwellen deutlich ab. Wer denkt, die Grenzwerte der EU für Feinstaub-Emissionen seien streng, möge die Empfehlungen der WHO mit den europäischen Grenzwerten vergleichen.

Saubere Luft,

In unseren Städten sind die besonders empfindlichen Kleinkinder, Schüler und kranke Menschen den krank machenden Emissionen schutzlos ausgesetzt. Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe fordert von der Politik, dass sie den Bürgern ein ‚Recht auf saubere Luft‘ garantiert.

Obwohl die alarmierenden Fakten seit Jahren bekannt sind, geschieht aus Furcht vor der Reaktion der Wirtschaft fast nichts. Die Oberbürgermeister der Großstädte fürchten den Widerstand der Autofahrer, die Landesregierungen den Konflikt mit der Automobil-Wirtschaft und die Bundesregierung steckt schon so tief mit der Autolobby unter einer Decke, dass man Lobbyisten und Politik kaum noch zu unterscheiden vermag. Wohl und wehe Deutschlands, so hat man den Eindruck, scheinen aufs Engste mit der Diesel-Produktion verwoben zu sein. „Staatsversagen“ nennt Axel Friedrich das und er muss es wissen. Der Umwelt- und Verkehrsexperte leitete viele Jahre die Abteilung „Umwelt und Verkehr“ beim Umweltbundesamt, bevor er die Nicht­regierungs­organisation International Council for Clean Transportation gründete. Friedrich schätzt, dass allein in Deutschland jährlich mit 10.000 Todesfällen durch hohe Stickoxid-Konzentrationen zu rechnen sei. In Bezug auf den VW-Skandal meint er: „Wir reden hier nicht von einfachem Betrug, wir reden von Körperverletzung mit Todesfolge.“

Reinigt Diesel die Luft?

Die seit Jahren anhaltende und durch den VW-Skandal noch einmal befeuerte Diskussion um den Einfluss des Diesels auf die Luftqualität setzt nun der Chef von Bosch, Volkmar Denner, ein abruptes Ende. Der moderne Diesel, so lässt er sich von den Stuttgarter Nachrichten zitieren, sei eine „Luftreinigungsmaschine“. Rolf Bulander, Chef der Kfz-Sparte bei Bosch, erläuterte dazu, die Abgase enthielten nur ein Zehntel so viele Feinstaubpartikel wie die umgebende Luft.
Was die Herren verschweigen: Niemand hat den modernen Dieselfahrzeugen vorgeworfen, mehr Feinstäube zu produzieren. Problematisch sind die Stickoxide. So emittiert ein Mercedes-Benz C 220 CDI BlueTec mit Bosch –Technologie bei innerstädtischen Geschwindigkeiten 817 Milligramm NOx pro Kilometer, das sind mehr als das Zehnfache der erlaubten Menge und alles andere als eine Luftreinigungsmaschine.

Aber auch NOX lässt sich mit einem SCR-Katalysator, bei dem Harnstoff zur Neutralisierung der Stickoxide eingespritzt wird, verringern. Das wäre machbar und würde den Aufwand erhöhen. Sauberer Diesel kostet etwas mehr Geld. Geld, das VW sparen wollte, und lieber inSoftware- Manipulationen anlegte. Nachdem die in den USA aufgedeckt wurden, durfte so die Hoffnung a) auf Einsicht oder gar Demut  und b) dann auf eine Beschleunigung der Verkehrswende ein wenig keimen.

Doch die Energiewende im Verkehr und eine Reinigung der Branche wird vorerst nicht stattfinden. Alle Unternehmen der europäischen Autoindustrie haben dabei mit gemacht, die realen Emissionen, die die Fahrzeuge im Alltag produzieren, zu verschleiern. VW war nur besonders dreist. Die Wahrheit hat kein Unternehmen gesagt. Statt Transparenz gibt es nun die parlamentarisch geduldete Fortsetzung des Betruges mit dem Segen des EU-Parlaments.  Auch künftig werden Autoabgase nach Standards gemessen, die erlauben, dass der gemessene Wert bis 2020 mehr als doppelt so hoch sein darf wie der offizielle, für die Labormessung geltende Grenzwert. Das hat das EU-Parlament in dieser Woche mit knapper Mehrheit beschlossen und so gezeigt, dass die Macht der Autolobby in Europa nach dem VW-Skandal ungebrochen ist.

Das Klimaabkommen von Paris war gestern. Heute gibt es wieder Realpolitik.

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  1. Windmüller

    vor 8 Jahren

    Es ist in der Tat so, dass es bei der Autoindustrie viele lustige Ungereimtheiten gibt. Renault und Opel sind beispielsweise in Verlegenheit gekommen, weil deren Euro 6 Diesel zu viel Stickoxid rauspusten. Das Problem ist simpel. Um die Werte zu senken, setzt man auf Adblue, eine wässrige Harnstofflösung, welche vor dem Kat eingedüst wird. Man hatte ursprünglich geplant, dass der Behälter im Rahmen der jährlichen Inspektion wieder mit Adblue nachgefüllt wird. Dafür muss man es dann aber sehr sparsam dosieren. Das Resultat war, dass die Stickoxidwerte im Fahrbetrieb zu hoch sind. Nun werden die Motorsteuergeräte neu programmiert, um mehr Harnstofflösung einzuspritzen. Dafür muss der Fahrer dann alle 5000 Kilometer Adblue nachfüllen.
    Aber auch an anderer Stelle kann man nur staunen. Ich habe mir vor einem Jahr ein neues Auto zugelegt, einen Kleinwagen mit Dreizylinder und Direkteinspritzung. Benziner mit Direkteinspritzung produzieren mehr Feinstaub, als ein moderner Diesel. Nach 1000 Kilometern war der Auspuff schwarz. Aber weil mein Auto ja auf dem Papier so sauber ist, zahle ich nur 45 € Kfz Steuer im Jahr. Wäre es ein Diesel, käme ich in keine Umweltzone mehr hinein. Aber so habe ich glatt noch eine grüne Plakette. Schilda im 21. Jahrhundert

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