Die Sehnsucht nach Elektrofahrzeugen kreieren

Gastautor Portrait

Dr. Oliver Greiner

Partner bei Horváth & Partners

Dr. Oliver Greiner ist Partner bei der Managementberatung Horváth & Partners und leitet das Competence Center Strategy, Innovation & Sales. Einen Namen im Bereich der Mobilität von morgen hat er sich insbesondere durch seine zahlreichen Analysen zur Entwicklung in den Bereichen Elektromobilität und neue Mobilität gemacht. Der promovierte Betriebswirt leitet u.a. den „Fakten-Check Mobilität“ der Stuttgarter Managementberatung. Diese Studie untersucht seit 2010 die Entwicklung wesentlicher Treibergrößen der Mobilität in Deutschland. Der Tesla-Fahrer lebt auch persönlich die Mobilität von morgen.

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12. September 2016
EnBW Smart Factory: Dei Sehnsucht nach Elektrofahrzeugen befoerdern

Mit Herzblut und Geschwindigkeit den Führungsanspruch im Automobilbau behaupten! Das fordert Oliver Greiner von den deutschen Autobauern ein. Der Partner bei der Managementberatung Horváth & Partners theoretisiert nicht nur über Mobilität: Er brennt für das Thema, fährt selbst einen Tesla und hält am kommenden Samstag bei den Urban Mobility Talks die Keynote zum Thema Urbane Mobilität von morgen. Wir hatten Gelegenheit im Vorfeld der Konferenz mit ihm über die Elektromobilität zu sprechen.

Blog Dialog-Energie-Zukunft: Offensichtlich bringt die Kaufprämie nicht den erhofften Durchbruch bei der Elektromobilität. Hat die Bundesregierung auf das falsche Pferd gesetzt?

Dr. Oliver Greiner: Die aktuelle Kaufprämie wirkt in der Tat weniger wie ein konsequenter Schritt zur Förderung der Elektromobilität, sondern eher wie ein Versuch, den Vorwurf zu umgehen, man hätte nichts getan um das ursprünglich ausgerufene Ziel, von einer Million Elektrofahrzeugen bis 2020 auf Deutschland Straßen, doch noch zu erreichen. Die Prämie geht von der Hypothese aus, dass es nur ein paar tausend Euro waren, die viele potenzielle Käufer eines Elektroautos vom Erwerb abgeschreckt haben. Doch die Herausforderung liegt tiefer: Sie liegt meines Erachtens in der fehlenden Attraktivität der Produktpalette an Elektroautos sowie an dem Problem, dass trotz der ausgerufenen Kaufprämie die Preise für die Stromer zu hoch sind.

Hersteller nutzen die Kaufprämie, um ihre Marge zu erhöhen

Fallende Preise für Elektrofahrzeuge sind ein wesentlicher Treiber der Elektromobilität. In den letzten Jahren schrumpfte die Preisdifferenz zwischen rein batteriebetriebenen Tesla, Energiewende, E-Mobility: DieElektrofahrzeugen und Verbrennern kontinuierlich. Waren reine Stromer bis 2010 noch doppelt so teuer wie vergleichbare Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren, fiel der durchschnittliche Preisaufschlag aller 2015 zugelassenen Stromer auf ca. 40 Prozent. Mit der eingeführten Kaufprämie für Elektroautos fällt der Preisaufschlag für die betroffenen Modelle deutlich, allerdings noch nicht genug. Zu Beginn der Förderdiskussion hatte mein Kollege Heiko Fink bereits die Befürchtung, dass die einzelnen OEMs die Prämie auch in die Preisgestaltung mit einfließen lassen könnten, also die Preise einfach etwas höher setzen könnten – dies ist anscheinend teilweise eingetreten. Denn mittlerweile gibt es laut dem Bundesverband Verbraucherzentralen (BVVZ) Hinweise, dass die Preise für Elektro-Pkws in den letzten Wochen gestiegen sind, sodass sich Endpreise kaum veränderten. Die Hersteller nutzen anscheinend die Kaufprämie, um ihre Marge zu erhöhen, was voll und ganz gegen den ursprünglichen Plan der Prämie geht.
Einen Schub der Elektromobilität sehe ich zusammenfassend eher durch eine Vielzahl (auch preislich) attraktiver Produkte, durchgängig verfügbare Ladeinfrastruktur und akzeptable Reichweiten, weniger durch die aktuelle Subventionierung, bei der ich eh ordnungspolitische Bedenken habe. Grundsätzlich gilt aber: die Elektromobilität kann jede Unterstützung gebrauchen – in diesem Sinne schadet die Kaufprämie natürlich auch nicht.

Gibt es in Deutschland eine konsistente politische Strategie für die Elektromobilität? Oder bestimmt die Automobilindustrie – trotz Diesel-Gate  –  nach wie vor den Takt der Umstellung?
Bei der Unterstützung des Markthochlaufs der Elektromobilität setzte die Regierung bisher auf nutzerorientierte Anreize statt auf Kaufprämien. Viele Städte experimentierten – wie es europäische Nachbarländer vorgemacht hatten – mit nicht-monetären Anreizen, wie beispielsweise der Bereitstellung von kostenfreien Parkplätzen in Innenstädten oder der Einführung von Spuren, die insbesondere in Ballungsräumen für Elektrofahrzeuge reserviert sind oder alternativ die Erlaubnis, Busspuren oder Sonderparkplätze zu nutzen.
Zudem lag ein besonderer Schwerpunkt der Förderpolitik der Bundesregierung auf sogenannten „Schaufenster“ und „Leuchtturmprojekte“ der Elektromobilität. Die Menschen in Deutschland können nicht von einem Tag auf den anderen von der Elektromobilität überzeugt werden. Die Regierung verfolgt hier das Ziel, langsam und kontinuierlich die Elektromobilität in der Gesellschaft zu verankern. Auch Städte, die immer mehr Öffentliche Verkehrsmittel, wie Elektrobusse testen, leisten hier einen wichtigen Beitrag. Allerdings wird die Wirkung der Schaufenster und Leuchttürme nicht nur positiv bewertet. Neben der eher sparsamen Dotierung werden sie auch als „Klein-Klein“-Ansatz kritisiert, bei denen Vorhaben gefördert werden, die nicht durchgehend neu, innovativ oder verzahnt sind. Hier ist sicherlich noch Verbesserungspotential nach oben.

Emotionale Sehnsucht nach Elektroautos fördern

Doch den wahren Takt der Umstellung bestimmt natürlich die Automobilindustrie. Denn nur die Automobilindustrie kann die angesprochene Sehnsucht nach Elektrofahrzeugen kreieren. Die Bedeutung eines Preisunterschiedes sinkt natürlich mit der Begehrlichkeit, etwas zu besitzen. Wenn z.B. der Preis eines E-Golf mit einem normalen Golf verglichen wird, so bietet der Stromer mit Ausnahme des Umweltarguments wenig zusätzliche Emotionalität, welche einen höheren Kaufpreis rechtfertigen würde. So gesehen ist die Auswahl an Fahrzeugen aktuell nur eingeschränkt dafür geeignet, eine emotionale Sehnsucht nach Elektroautos zu fördern. Erst wenn ein Portfolio an entsprechenden Fahrzeuggrößen, Preisklassen, Reichweiten und Markenwelten zur Verfügung steht, haben sowohl Firmen- als auch Privatkunden die Möglichkeit, jenes Elektrofahrzeug zu finden, das zu ihren Anforderungen passt. Und für dieses Produktportfolio sind die OEMs verantwortlich.
Ich stelle fest, dass die Automobilindustrie in Summe noch mit extrem angezogener Handbremse Emotionalität und Begeisterung für Elektroautomobile vermittelt – gerade auch im Vergleich mit den Ausgaben, die sie für die Vermarktung ihrer bestehenden Produktpalette investiert. Immerhin bieten Car-Sharing Ansätze wie Car2Go und DriveNow ihren Kunden bereits die Möglichkeit Elektromobilität auf Zeit zu testen.

Tesla hat den deutschen Premiumherstellern in den USA schmerzhafte Einbußen bei den Marktanteilen zugefügt. Ist das nur der Anfang vom Ende der deutschen Vormachtstellung im Automobilbau?

Betrachtet man das aktuelle Produktportfolio der meisten OEMs, so bin ich der Überzeugung, dass die Autohersteller einem strategischen Fehler aufgesessen sind. Aufgrund der hohen Batteriepreise sahen sie die Keimzelle der Elektromobilität lange eher im urbanen Umfeld und gestalteten die Fahrzeuge entsprechend. Folgerichtig sind die Elektroautos etablierter Anbieter eher klein, mit geringer Reichweite, mit wenig Fokus auf Fahrspaß und optisch nicht gerade besonders attraktiv oder differenzierend gestaltet.
Elektromobilität und MobilitätswendeDoch eine der größten Sorgen potenzieller Konsumenten von Elektrofahrzeugen bezieht sich auf die Reichweite. Auch wenn eine Reihe von Studien belegen, dass die allermeisten Fahrer pro Tag nicht mehr als 80 km zurücklegen, so möchten viele Nutzer ihr Fahrzeug an einzelnen Tagen auch für deutlich längere Strecken einsetzen. Wer die 500 Kilometer anbieten kann, hat eine ganz starke Botschaft – und diese Botschaft kann Tesla gegenwärtig so gut wie für sich alleine beanspruchen. Der erfolgreiche Regelbrecher Tesla hat die Alternative aufgezeigt: schicke, geräumige Elektroautos mit großer Reichweite.

„Tesla-Fighter“

Die aktuelle Auswahl an deutschen Elektrofahrzeugen ist nur eingeschränkt dafür geeignet, eine emotionale Sehnsucht nach Elektroautos zu fördern, wie es z.B. Tesla mit dem Model S und mit der Ankündigung des Tesla 3 gelungen ist. Potentielle Käufer werden weniger von “Stadtautos“ angezogen, sondern von echten Alternativen zu ihren bestehenden Fahrzeugen. Doch mittlerweile gibt es kaum einen Anbieter, der inzwischen nicht mehr oder weniger aktiv an einem „Tesla-Fighter“ arbeitet. Vor allem die deutschen OEMs können ihr Know-how und langjährigen Partnerschaften mit führenden Zulieferern nutzen, um die Qualitätsprobleme, die Tesla aktuell noch bei seinen Fahrzeugen hat, zu beseitigen und ihren Führungsanspruch im Automobilbau zu behaupten. Aber sie müssen es mit Herzblut und Geschwindigkeit tun, und da bin ich mir nicht sicher. Dezidiert ausnehmen möchte ich von dieser Aussage dezidiert Porsche: Der Mission E hat die Chance, im Sportwagensegment ein dickes, weltweites Ausrufezeichen zu setzen.

Wird die Elektromobilität in Kombination mit der Digitalisierung unsere Mobilität grundlegend verändern?

Ich bleibe bezüglich der weiteren Durchsetzung der Elektromobilität in Deutschland optimistisch. Die Digitalisierung spielt hierbei tatsächlich auch eine entscheidende Rolle. Sie ermöglicht neue Geschäftsmodelle und Lösungsansätze für Probleme, für die es bisher keine entsprechende Antwort gab – Fahrassistenzsysteme, Komfortsysteme, Entertainmentsysteme, usw. Die könnte es zwar oft auch im Verbrenner geben, doch die Glaubwürdigkeit dieser neuen Systeme in der Hülle des Elektrofahrzeuges erscheint mir einfach höher. Zudem ist dank der Digitalisierung eine Geschwindigkeit in den Markt gekommen, die vor allem kleinen innovativen Start-Ups es ermöglicht, quasi über Nacht eine ganze Branche durchzuschütteln.
Die vielen neuen Mobilitätsangebote und zugrundeliegenden Apps und Plattformen wie Uber, Lyft oder DriveNow, verknüpft mit der zunehmenden Urbanisierung, bewirken, dass das (eigene) Auto für junge Menschen an Relevanz verliert oder andere Entscheidungskriterien in Sachen Mobilität in den Vordergrund rücken. Neue Formen wie E-Bikes und Mikromobile können zusätzliche individuelle Alternativen bieten. All diese neuen Mobilitätsformen und das Anmieten dieser Möglichkeiten basieren auf digitalen Geschäftsmodellen und verändern schon heute unsere Art der Mobilität grundlegend. Wir stehen spannenden Zeiten bevor – zum Vorteil von uns als Kunden, unserer Umfeld und den Unternehmen, die sich mutig und aktiv mit dieser Zukunft auseinandersetzen.

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