Uffenheim: Eine Kommune segelt hart am Wind in Richtung Zukunft

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Frederik Stier

Gastautor

Frederik Stier, Jahrgang 1993, studiert Ökonomie an der Uni Heidelberg. Aktuell ist er als Masterstudent der Energiewirtschaft an der Universität Montpellier eingeschrieben. Frederik Stier ist Mitgründer des Start-ups AlphaOmegaGreen. In diesem Rahmen arbeitet er seit Sommer 2016 an innovativen Services im Rahmen von Projektfinanzierungen für Bürgerkooperativen. AlphaOmegaGreen benutzt ökonomische Analysetools (Risikomanagement im Namen des Bürgers, Kommunikation von Windkraftprojekten und Blockchaintechnologie), um so den gesellschaftlich optimalen Kompromiss bei der Projektierung von Windkraftanlagen zu finden.

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06. Februar 2018

Die 4.000 Einwohner zählende Kreisstadt hat auf Initiative des ehemaligen Leiters der Stadtwerke seit 2002 über 20 Bürgerwindkraftanlagen auf ihrem Gebiet installiert und deckt so ihren Bedarf allein durch Windkraft zu 97%. Und das, obwohl in der Gemeinde mehrere Großkonsumenten wie der internationale Modekonzern Adidas und weitere Mittelständische Unternehmen ansässig sind. Die Erfahrungen der Uffenheimer können als Inspiration und Beispiel für eine gelungene, lokale, bürgernahe und kooperative Energiewende dienen.

Die Anfänge der Uffenheimer Windkraftrevolution

Angefangen hat die Erfolgsgeschichte Uffenheims im Jahr 2002, als Herbert Vorlaufer als damaliger Leiter der Stadtwerke Uffenheim in seinem Dorf, dem Uffenheimer Ortsteil Aushang Bürger-Windrag Zukunft EnergieWallmersbach, zusammen mit mehreren Nachbarn die Gründung der ersten Windrad-Kooperative in der Gemeinde initiierte. Zusammen mit 20 Gesellschaftern machte sich Herbert Vorlaufer an die Realisierung eines der ersten Bürgerwindkraftanlagen in der Region Mittelfranken. Zu Beginn des Jahrtausends waren die Bedingungen für angehende Windmüller noch denkbar einfach. Mit Hilfe eines ausgedienten Baukrans wurde über einen ausreichend langen Zeitraum die Windhöffigkeit des geplanten Standortes geprüft und nach erfolgreichem Abschluss der Messungen wurden die gesammelten Daten an einen Gutachter weitergegeben, um zusammen mit dessen Hilfe die Rentabilität des Projekts zu prüfen.

Nachdem klar war, dass das Projekt im Rahmen des damals noch neuen EEGs gefördert wurde, die Auswertung der Windmessungen durchweg positive Ergebnisse geliefert hatte, eine Baugenehmigung vorlag, und mit Hilfe einer örtlichen Bank ein Finanzierungspartner gefunden war, beschlossen die Gesellschafter, das Projekt anzugehen.

Die erste Windturbine, damals noch vom Typ Südwind S77 (heute Nordex), mit einer Nabenhöhe von 111 Metern und 150 Metern Gesamthöhe wurde im Süden der Ortschaft Wallmersbach errichtet. Die Turbine, gebaut auf einem damals üblichen Gitterturm, fügt sich gut in das Landschaftsbild der Region ein, und liefert seit nunmehr fast 16 Jahren zuverlässig Strom für die Gemeinde. In der Nachbetrachtung muss man nun sagen: Die Leistung der Anlage wurde damals sogar unterschätzt. Das erste Projekt lief erfolgreicher als geplant.

Die Entwicklung nimmt fahrt auf und die Gemeinde springt auf

Die filigran anmutende Nordex-Anlage sollte aber nur der Auftakt für die erfolgreiche Energiewende in Uffenheim sein. Herbert Vorlaufer, von dem Erfolg der ersten Turbine überzeugt, machte sich nun daran, weitere Bürgerwindkraftanlagen in der Gemeinde zu projektieren. Nachdem sich herumgesprochen hatte, dass die Windkraftanlagen nicht nur grünen Strom liefern, sondern auch nebenbei noch sehr rentabel sind, kamen immer mehr Mitbürger auf Herbert Vorlaufer zu, um sich an seinen Projekte zu beteiligen.

Fünf Jahre nach der Inbetriebnahme der ersten Turbine konnten die Uffenheimer Windmüller zwei weitere Anlagen in den umliegenden Ortsteilen ans Netz bringen. Die damals hoch modernen Vestas V90 Anlagen mit 2 MW, welche perfekt auf die örtlichen Windbedingungen angepasst sind, wurden nun von insgesamt 63 Gesellschaftern finanziert. In den Jahren von 2009 bis 2014 kamen alleine durch Herbert Vorlaufers Aktivitäten weitere neun Windkraftanlagen vom Typ Vestas und Enercon hinzu. Darunter auch die ersten Enercon E101 Anlagen Süddeutschlands mit jeweils 3MW installierter Leistung, welche damals den Stand der Technik repräsentierten.

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Konkurrenz belebt das Geschäft

Nach den Erfolgen der Wallmersbacher Energierebellen ließen andere Gruppen aus der Gemeinde nicht lange auf sich warten. Im Nachbarortsteil Gollhofen entstand eine noch größere Bürger-Kooperative bestehend aus 275 Gesellschaftern, die zusammen die Errichtung eines 24 Millionen Euro teuren Windparks an der Autobahn A7 voran trieben. Die 7 Enercon E82 Turbinen mit jeweils 2 MW stellten lange den größten Bürgerwindpark Nordbayerns dar.
Diesem ersten Mammutprojekt, welches 2011 erfolgreich abgeschlossen wurde und seit dem jedes Jahr 30 Millionen kWh in die lokalen Netze einspeist, folgte 2014 mit der Fertigstellung von drei weiteren hochmodernen Nordex N117 Windkraftanlagen das zweite Projekt aus Gollhofen.

Herbert Vorlaufer und seine Mitstreiter ließen sich von der Konkurrenz aus dem Nachbardorf aber wenig beeindrucken und legten auch 2014 mit ihrem bis dato letzten Projekt nach.

Mit vier, fast 200 Meter hohen, 3 MW starken Vestas V112 Anlagen, welche zusammen mit der Stadt Uffenheim, den lokalen Stadtwerken und seiner bis dato größten Bürgergenossenschaft, bestehend aus 161 Gesellschaftern, finanziert wurden, kam das Uffenheimer Windrad-Wetteifern zu seinem vorläufigen Höhepunkt. Dieser markierte zugleich leider auch das Ende des Wachstums der Windkraft in Bayern. Seit November 2014 gilt in Bayern die 10H-Regelung, welche die Errichtung von neuen Windkraftanlagen im Freistaat enorm einschränkt.

Trotzdem finden sich im Landkreis Neustadt-Aisch im Herzen Mittelfrankens mittlerweile 49 Windkraftanlagen, der größte Teil davon in Bürgerhand.

Zukunft Wind Energie Bürgerkraftwerke
Alle Fotos: Frederik Stier

109% erneuerbare Energie im Landkreis

Das Auftauchen der sanften Riesen spiegelt sich auch in den Verbrauchsdaten des Landkreises und der Stadt wieder. Die Bedarfsdeckung des gesamten Landkreises mit erneuerbarer Energie lag im Jahr 2015 bei erstaunlichen 109%. Insgesamt wurden im Herzen Mittelfrankens auf knapp 100.000 Einwohner 568.615 MWh erzeugt. Dagegen stand im selben Jahr ein realer Bedarf von 490.266 MWh.

Die Stadt Uffenheim ist in dieser Wertung im regionalen Vergleich auf einem der vordersten Plätze, mit über 53 MWh Einspeisung wurden in der Gemeind e Uffenheim pro Kopf 5.089 kWh erzeugt. Demgegenüber stand ein realer Bedarf von circa 30 MWh auf dem Gemeindegebiet. Damit hat Uffenheim eine Bedarfsdeckung durch erneuerbare Energien von circa 140%. Wovon der größte Teil des Stroms durch die modernen und zahlreichen Uffenheimer Bürgerwindkraftanlagen erzeugt wird.

Absoluter Spitzenreiter in dieser Wertung ist jedoch die kleine Gemeinde Oberickelsheim, nördlich von Uffenheim an der A7 gelegen,. Auf ihren Gemarkungen ist der oben angeführte größte Bürgerwindpark der Region ansässig. Im Jahre 2015 wurden hier 25.929 kWh Windstrom pro Kopf erzeugt. Damit decken die Oberickelsheimer statistisch gesehen das 14-fache ihres Bedarfs alleine mit dem Bürgerwindpark.

Eine ländliche Bewegung für eine bessere Zukunft

In Uffenheim kommen die Themen Information und Aufklärung nicht zu kurz. Jedermann ist aufgefordert sich seine eigene Meinung zu bilden. Dafür wurde im Ortskern, im ehemaligen Umspannwerk der Stadtwerke ein Informationszentrum zur Windkraft eingerichtet, in dem Schulklassen und interessierte Besucher die praktischen und theoretischen Zusammenhänge der Windkraft erfahren können. Auch kann man sich in der Gemeinde auf einem Windkraftwanderweg begeben, um so die Windkraftanlagen und Wissenswertes auf Infotafeln aus der Nähe zu erfahren.

Zukunft durch BürgerwindHinzu kommen die informativen Internetauftritte der örtlichen Projektierer. So wird den Menschen die Möglichkeit gegeben, sich selbst ein rationales Bild über Windkraft und ihre Vorteile zu machen, ohne dabei besonders aufdringlich oder reißerisch zu sein. Uffenheim, wie auch der gesamte Landkreis Neustadt-Aisch/Bad Windsheim beweisen eindrucksvoll wie eine 100% Lösung für die Energiewende aussehen könnte.

Doch das ist nicht der einzige Grund, weshalb die dortige Entwicklungen so beachtenswert sind. Vielmehr muss man die Aufmerksamkeit der Akteure gegenüber sozialen und ökonomischen Rahmengrößen in ihrem direkten Umfeld hervorheben. Die Menschen der Gemeinde Uffenheim haben zu Beginn der Energiewende, als es um Grundsatzfragen wie Machbarkeit und Finanzierung ging, gehandelt und somit den Grundstein für viele weitere Projekte in Bayern und Süddeutschland gelegt. Verglichen mit vielen anderen Kommunen und Ländern, in Europa und der Welt ist schon ein enormer Fortschritt erreicht worden, weil hier gezielt die praxisnahe Umsetzung einer Integration von Windkraftanlagen in die lokalen Strukturen stattfand.

Trotz 10H-Regelung am Gelingen der Energiewende weiter arbeiten

Sozialverträglich und gemeinschaftlich lassen sich selbst 200 Meter große Riesen in einer deutschen Kulturlandschaft gut integrieren. Das haben die Uffenheimer verstanden und sind so vom Energieimporteur zum Stromproduzent für die ganze Region aufgestiegen. Uffenheim als Gemeinde hat bewiesen, dass es selbst kleine und mittelgroße Gemeinden schaffen können, mit Windkraft signifikante Spieler in der Energiewende zu werden, um so nebenbei auch noch der lokalen Wirtschaft einen enormen Gefallen zu tun.

Mit ihrem Engagement haben Herr Vorlaufer und seine Kollegen in ihrer Gemeinde eine Zukunftstechnologie mehrheitsfähig gemacht und viele Menschen für eine bewusste Stromerzeugung mobilisiert. Die Uffenheimer Pioniere lassen sich auch nicht von den aus München kommenden repressiven politischen Maßnahmen einschüchtern, sondern, im Gegenteil, versucht man trotz 10H-Regelung und aufkeimenden Widerstand wacker weiter am Gelingen der deutschen Energiewende zu arbeiten.

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