Das Unbekannte vorhersagen – Umgang mit Unsicherheiten in der Energiewirtschaft

Gastautor Portrait

Bernd Dr. Schürmann

EnBW AG

Nach Studium der Politikwissenschaft und anschließender Promotion an der Freien Universität Berlin war Bernd Schürmann zunächst bei der Unternehmensberatung McKinsey mit Schwerpunkt Energiewirtschaft, zuletzt in der Rolle als Projektleiter, tätig. 2009 wechselte er in die Strategie der EnBW Energie Baden-Württemberg AG. Anschließend verantwortete er im Politikbereich die Themen Energiepolitik und Nachhaltigkeit. Anfang 2015 übernahm er den Bereich Energiewirtschaft und ist seither zuständig für Marktumfeldbetrachtung und langfristige Strompreismodellierung der EnBW.

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21. September 2016

Warum lassen sich Ölpreise oder andere für uns wesentliche Marktentwicklungen so schlecht vorhersagen? Wie wird die Energiepolitik in 10 Jahren aussehen? In der Energiewirtschaft besteht eine große Unsicherheit darüber, wie die Branche nach den tiefgreifenden Veränderungen durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien und den Einzug der Digitalisierung zukünftig aussehen wird. Ist das eine besondere Herausforderung in unserer Industrie? Und welche Prognose- und Managementmethoden sind geeignet, um mit Unsicherheiten umzugehen? Um das herauszufinden, haben wir als EnBW mit unseren langjährigen wissenschaftlichen Partnern bei der Lösung schwieriger Fragen – dem Massachusetts Institute of Technology (MIT, Prof. Christopher Knittel) und Prof. Christoph Weber von der Universität Duisburg-Essen am 8./9. September 2016 eine Konferenz in Berlin organisiert.

Energiewende sorgt für Unsicherheiten

MITUm ein möglichst breites Bild zu erhalten, haben wir nicht nur Referenten und Teilnehmer aus Energiewirtschaft und Politik eingeladen, sondern auch aus unterschiedlichen Fachrichtungen wie der Volkswirtschaftslehre oder der Psychologie, aus anderen Branchen wie der Versicherungswirtschaft Wissenschaftler und Vertreter der Praxis, die unter Unsicherheit Empfehlungen entwickeln oder Entscheidungen treffen müssen. Dr. Frank Mastiaux, Vorstandsvorsitzender der EnBW, legte in seiner Eröffnungsrede klar, warum wir uns bei EnBW mit diesen Fragen beschäftigen. Der Klimawandel löst umfassende Veränderungen aus, die schwer vorhersagbar sind. Mit der Energiewende sind bisher  als verlässlich eingeschätzte Konstanten nicht mehr vorhanden. Geschäftsfelder der Energiewirtschaft, die vormals sichere Erträge erlaubten, brechen weg. Für ein Unternehmen wie EnBW ist daher die Bereitschaft zwingend, auch bestehende Geschäfte immer wieder in Frage zu stellen, Impulse frühzeitig aufzunehmen sowie Organisation und Entscheidungsprozesse auf Veränderung auszurichten. Im Übrigen etwas, das in einer Vielzahl anderer Industrien, seien es Medien, Telekommunikation oder die Unterhaltungselektronik, immer schon zum täglichen Geschäft gehörte!

Wer kann helfen, Unsicherheiten zu beseitigen?

Unsicherheiten für Unternehmen bleiben sogar, wenn die Politik einen klaren Rahmen setzt. Rainer Baake, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, ließ keinen Zweifel daran, dass die Klimaschutzziele den fast vollständigen Verzicht auf fossile Energieträger bis 2050 erfordern und die Politik darauf hinarbeiten wird. Komplexe, manchmal weltweite Entwicklungen („Der Ölpreis lässt sich nicht vorhersagen“) oder plötzliche Brüche, weil technologische Entwicklungen Fahrt aufnehmen, machen es dann schwierig, sich „wirklich sicher“ zu fühlen.

Weitere Antworten gibt die Psychologie: Menschen verhalten sich eben wie Menschen. Sie tun sich schwer, bekannte Denkmuster zu verlassen. Brainstormings funktionieren nur eingeschränkt, wenn Hierarchien eine Rolle spielen; Menschen neigen dazu, sich Meinungen zu bestätigen. Scheinbar objektive, komplexe mathematische Modelle gaukeln Sicherheit vor, obwohl sie bestehende Entwicklungen häufig fortschreiben und wenig geeignet sind, Brüche in einer Entwicklung zu erkennen.

Welche Lösungen gibt es, mit Unsicherheiten umzugehen?

Welche praktischen Lösungen gibt es, um mit Unsicherheit bei Analysen und unternehmerischen Entscheidungen umzugehen? Eine generelle Empfehlung ist es, Teams möglichst interdisziplinär auszurichten und sich stets klar zu machen, welchen unbewussten Befangenheiten („Biases“) Menschen unterliegen, wenn sie Lösungen und Entscheidungen suchen. Ein weiterer Weg ist es, die Zukunft in unterschiedlichen, glaubwürdigen Szenarien zu denken und zu definieren, welche Faktoren oder Ereignisse sie eintreten oder scheitern lassen können. Der Lauf der Dinge wird außerdem nie geradlinig sein. Auch Überraschungen – die berühmten „Schwarzen Schwäne“ – sollte man daher im Blick behalten, z.B. indem Entscheidungen „Stresstests“ mit extremen Annahmen und Fragen unterzogen werden. Und schließlich – ab und zu auch einfach mal auf’s Bauchgefühl verlassen …

 

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