Was Unternehmer beim Klimaschutz von der Politik erwarten

Gastautor Portrait

Hubertus Grass

Kolumnist

Nach Studium, politischem Engagement und Berufseinstieg in Aachen zog es Hubertus Grass nach Sachsen. Beruflich war er tätig als Landesgeschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen, Prokurist der Unternehmensberatung Bridges und Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden. 2011 hat er sich als Unternehmensberater in Dresden selbständig gemacht.

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29. November 2017

Es ist kein repräsentativer Querschnitt der deutschen Wirtschaft. Aber die Zeiten sind lange vorbei, dass bei der Jahreskonferenz der Stiftung 2°, Unternehmer für den Klimaschutz, nur wenige engagierte Geschäftsführer oder CEOs zusammenkommen. Unter der klimapolitischen Erklärung, die die Stiftung während der laufenden Sondierungsverhandlungen in der Öffentlichkeit platziert hatte, standen auch Energieversorger und Unternehmen aus der energieintensiven Industrie. Man durfte also gespannt sein auf die Diskussionen der Unternehmer. Der Zufall wollte es so, dass die Tagung drei Tage nach dem Abbruch der Sondierungsgespräche stattfand. Und auch der Titel der Jahreskonferenz war gut gewählt: Breakthrough! Innovationen für die < 2°- Wirtschaft.

Die politischen Ereignisse waren nicht das zentrale, aber ein immer wiederkehrendes Thema. Die Meinungen, welche Auswirkungen die politische Hängepartie in Berlin auf die Unternehmen hat, gingen dabei auseinander.
Einige forderten Klarheit.

Als Unternehmer kann ich mich auf politische Vorgaben einstellen. Das dauert eine Zeit. Aber es geht. Viel schlechter für uns sind längere Phasen der Unsicherheit. Was auch nicht funktioniert, ist der schnelle Wechsel von Vorgaben. Oder eine Phase, in der ich weiß, dass Richtungsentscheidungen anstehen, aber nicht weiß, in welche Richtung es läuft.“

Zu vernehmen waren aber auch tiefenentspannte Töne:

„Als Unternehmer muss ich immer nach vorne schauen. Das ist ganz unabhängig von dem, was die Politik macht. Wenn man auf dem internationalen Markt unterwegs ist, muss man den unternehmerischen Klimaschutz und die Nachhaltigkeit schon aus Gründen des Wettbewerbs immer im Auge haben.“

Unternehmer für den Klimaschutz
Auch ein Alleinstellungsmerkmal der Stiftung 2°: Während bei anderen Energie- und Klimakongressen Männer die Bühne dominieren, hatten Frauen auf der Jahreskonferenz mehr als nur Nebenrollen. Von links: Sabine Nallinger, Vorständin Stiftung 2°, Monika Jones, Anchor-Woman des Auslandsfernsehens der Deutschen Welle, und Birgit Klesper, Senior Vice President Deutsche Telekom.

Einblicke in unternehmerische Herausforderungen

Auf eine ungeteilt positive Resonanz stieß der Stand der Verhandlungen, den man bei der Sondierung beim Klimaschutz erreicht hatte. Die Schließung von 14 alten Kraftwerken mit einer Gesamtleistung von sieben Gigawatt sei als Einstieg akzeptabel. 40 Millionen Tonnen CO2  hätte diese Stilllegung jährlich eingespart. Das wurde allgemein begrüßt. Warum man aber überhaupt über die Klimaschutzziele für 2020 in den Sondierungen verhandeln musste, hat sich den Unternehmern nicht erschlossen. Schließlich hatten alle Parteien diese Ziele zuvor akzeptiert.

Die Probleme liegen im Detail. Das gilt auch für die Umsetzung der Energiewende in der Wirtschaft. Sehr anschaulich illustrierte das Dr. Thomas Becker, Leiter Politik und Außenbeziehungen in der BMW Group. Der Anteil von Fahrzeugen mit elektrischem Antrieb, den BMW in Norwegen verkauft, liegt dort bei 65 Prozent. In Italien beträgt er dagegen nur 0,05 Prozent; in Rumänien bei 0 Prozent und in den anderen EU-Staaten liegt er irgendwo dazwischen. Wie geht es nun weiter auf diesen Märkten? Fahrzeuge mit rein elektrischem Antrieb sind völlig anders aufgebaut. Ihre Produktion verläuft nach einer anderen Logik und Logistik. Sie passen nicht in die bisherigen Produktionslinien. BMW muss daher einen immensen Aufwand betreiben, um die parallele Produktion von Verbrennern und elektrischen Antrieben hinzu bekommen und auf die aktuellen Anforderungen der Märkte reagieren zu können.

Solche Einblicke in die Unternehmenswelt, die man in den Foren Digitalisierung, Mobilität, Gebäude und industrielle Produktion in großer Zahl erhielt, heben die Jahreskonferenz der Stiftung 2° aus der Masse der Tagungen heraus. Der lebendige Austausch zwischen den Praktikern aus der Wirtschaft mit den Vertretern von Verbänden, aus der Politik und der Wissenschaft schafft neue Erkenntnisse.

Unternehmer für den Klimaschutz
Architektonisch eine Augenweide: Der Veranstaltungsort integriert ein ehemaliges Telegrafenamt. Heute ist hier der Sitz der Hauptstadtrepräsentanz der Deutschen Telekom.

Wie müssen Unternehmen ticken, um zukunftsfähig zu sein?

Aber auch das Grundsätzliche fehlte nicht. Martina Koederitz, Vorsitzende der Geschäftsführung von IBM Deutschland, ging in ihrem Beitrag ausführlich auf das Mindset ein, in dem Innovationen geboren werden. Nur in einer Unternehmenskultur, die auf Vielfalt in der Bildung, in der Herkunft und dem Denken setzt und in der Fehler als selbstverständlicher Teil des Fortschritts akzeptiert werden, entsteht jene Kreativität, die eine innovative nachhaltige Wirtschaft prägen wird. „Wissen ist Macht.“ Das war früher. Viel mächtiger als das abgeschottete in einem Unternehmen sei die Fähigkeit, partnerschaftlich sowohl in- als auch extern zusammen arbeiten zu können. Heute gelte: „Teilen ist Macht.“

Wie gelangen wir als Gesellschaft und Wirtschaft auf den Pfad für einen Breakthrough? Daran wurde in den einzelnen Workshops gearbeitet. Mehr Innovationen, mehr Internationalität, mehr Digitalisierung: der Weg zur Nachhaltigkeit ist mit Herausforderungen gepflastert. In einer demokratischen Gesellschaft muss dieser Umbruch so organisiert werden, dass möglichst alle mit kommen. D.h., am Ende wird die Entscheidung in der Schule fallen, ob wir unsere Wirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit drehen und langfristig das Klima unter der Grenze von 2° stabilisieren können. Schon in der Schule sollten die Kinder erfahren, dass komplexe Herausforderungen nur im Team zu lösen sind. Dass Digitalisierung zu unserem Leben dazu gehört. Dass Digitalisierung und Fortschritt per se wieder schlecht noch gut sind, sondern dass es darauf ankommt, was wir daraus machen.

Auch das konnte man bei der Jahreskonferenz der Stiftung 2° lernen (oder sich in Erinnerung rufen): Die soziale Entwicklung ist eine der Dimensionen in der Nachhaltigkeit. Gute Unternehmen denken mehrdimensional.

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