Verantwortliche Rohstoffbeschaffung beginnt vor Ort

Gastautor Portrait

Dr. Hans-Josef Zimmer

Mitglied des Vorstands, EnBW Energie Baden-Württemberg AG

Der promovierte Maschinenbau-Ingenieur wurde 2007 als Technikvorstand der EnBW AG berufen. Ins Unternehmen kam er vor 25 Jahren, als er beim Badenwerk, einem Vorläuferunternehmen der EnBW, beschäftigt war. Dr. Zimmer diente als Kraftwerksleiter in Philippsburg, Mitglied und Vorsitzender der Geschäftsführung der EnBW Kernkraft GmbH (EnKK) im Vorstand der EnBW Kraftwerke AG.

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21. Oktober 2014

Für den Erfolg der Energiewende ist die mittelfristige Nutzung fossiler Energieträger unerlässlich. Weder mit Wind noch mit Sonne allein ist die Bereitstellung eines ausreichenden Energieangebots zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit in Deutschland heute technisch möglich.

EnBW RDK8, Tag der offenen Tuer und offizielle InbetriebnahmeDementsprechend werden wir auch künftig auf den Einsatz von Kohlekraftwerken nicht verzichten können. Die Bundesnetzagentur hat bereits mehrfach Kohlekraftwerke, gerade in Süddeutschland als systemrelevant eingestuft und deren Stilllegungsanträge seitens der Betreiber abgelehnt.
Als EnBW haben wir uns zum Ziel gesetzt, die Kohleverstromung so umweltschonend wie möglich zu gestalten. Neben der verantwortlichen Kohlebeschaffung beinhaltet dies den Betrieb hocheffizienter Kraftwerksanlagen, mit hohen Wirkungsgraden, modernen Rauchgasreinigungsanlagen und sofern möglich in primärenergiesparender Kraft-Wärme-Kopplung.

Darüber hinaus hat die EnBW in den letzten Jahren eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen, um ihrer unternehmerischen Verantwortung gerecht zu werden. Die Vereinbarkeit von Wirtschaftlichkeit und Menschenrechten hat auf Ebene der Vereinten Nationen mit der Verabschiedung der „UN Guiding Principles on Business and Human Rights“ aber auch für uns als Unternehmen im Umgang mit unseren Stakeholdern, vom Produzenten über Gewerkschaften, zivilgesellschaftliche Gruppen bis hin zur Politik, stark an Bedeutung gewonnen.

Unser Ansatz zur Übernahme unternehmerischer Verantwortung entlang der Lieferkette am Beispiel des Kohlebezugs aus Kolumbien
Dialog_vor_Ort_KohlebeschaffungDer Vorwurf der Verletzung von Menschenrechten beim Abbau von Steinkohle, insbesondere in Kolumbien, hat uns nochmals stärker für die Thematik sensibilisiert. Entlang der Kohle-Lieferkette können wir jedoch nur gemeinsam mit unseren Lieferanten vor Ort an einer Verbesserung der Abbau- und Lebensbedingungen der Anwohner arbeiten. Dieser Prozess muss unter Einhaltung von Mindeststandards bezogen auf Menschenrechte, Umwelt- und Arbeitsschutz sowie Vereinigungsfreiheit  erfolgen. Der Boykott einzelner Ländern oder Produzenten, der in der öffentlichen Diskussion schnell gefordert wird, sollte das absolut letzte Mittel der Wahl darstellen.

Vor einigen Wochen veranstaltete die EnBW zusammen mit der Friedrich-Ebert-Stiftung und der IG BCE eine Fachtagung in Kolumbien zur verantwortlichen Kohlebeschaffung. Dort stand – trotz aller geäußerten Kritik und konkreter Hinweise auf Verbesserungspotentiale – der direkte Dialog und die gemeinsame Erarbeitung von Problemlösungen im Vordergrund.

Als Technikvorstand war es mir ein großes Anliegen an der zweitägigen Konferenz persönlich teilzunehmen. Die Intensität der Diskussionen hat mich tief beeindruckt. Die Darlegung der außerordentlichen Bedeutung der Kohleexporte für die wirtschaftliche Entwicklung Kolumbiens durch den stellvertretenden Bergbauminister war für mich ebenso nachvollziehbar, wie die Forderung der Gewerkschaftsvertreter nach erhöhtem Arbeitsschutz und Frühpensionierung oder der Anspruch der Vertreter indigener Gruppen nach Achtung ihrer Rechte – insbesondere bei nicht vermeidbaren Umsiedlungen. In Kolumbien überlagert die Zeit innerstaatlicher Konflikte in den 1990er bis teilweise in die Gegenwart das tägliche Miteinander. Dies wurde in den Panel-Diskussionen und den Gesprächen in den Pausen sehr deutlich. Die Generalstaatsanwaltschaft hat uns bei einem Termin am Rande der Konferenz versichert, dass die strafrechtliche Aufarbeitung besonders schwerwiegender Fälle vorangetrieben wird.

Kohlebeschaffung_vor_OrtAuch wenn nicht alle Probleme gelöst und alle Forderungen auf der Konferenz geklärt werden konnten, so haben alle Teilnehmer die Fachtagung als sehr wertvoll erachtet und den Willen zur Fortsetzung des Dialogs und zur gemeinsamen Erarbeitung von Lösungen bekräftigt. Konkrete Gesprächsangebote wurden ausgesprochen und es wurde vereinbart, Untersuchungsergebnisse zu naturwissenschaftlichen Analysen zu teilen. Für uns war es sehr wichtig, dass alle großen Kohleimporteure in Deutschland an der Konferenz teilgenommen haben, und somit unterstrichen haben, dass es sich um ein gemeinsames Anliegen der Kohleimporteure handelt.

Die Durchführung der Konferenz ist ein weiterer Baustein zur Wahrnehmung unserer unternehmerischen Sorgfalt. Mit diversen Maßnahmen streben wir eine konsequente Einhaltung von zentralen Nachhaltigkeitsstandards über die gesamte Wertschöpfungskette an. So haben wir in den letzten Jahren neben der klassischen Geschäftspartnerprüfung Verhaltensgrundsätze für die Beschaffung von Kohle und anderen Rohstoffen verabschiedet. Auf Basis der Grundsätze analysieren wir mit einem Nachhaltigkeitsregister regelmäßig alle wesentlichen Kohleproduzenten. Die Ergebnisse sowie aktuelle Entwicklungen werden im internen Corporate Social Responsibility (CSR) Committee diskutiert. Grundlage aller unserer Maßnahmen ist der vertrauensvolle Dialog mit unseren Produzenten und regelmäßige Gespräche mit allen Stakeholder-Gruppen.  

Auch bei uns gilt: Vertrauen ist die Voraussetzung für die gemeinsame Zusammenarbeit mit unseren Geschäftspartnern. Dieses Vertrauen sichern wir mit der Aufnahme von erweiterten Nachhaltigkeitsklauseln in Verträgen ab. Bei festgestellten schwerwiegenden Verstößen gegen Menschenrechte, Umweltschutz und Grundsätze guter Unternehmensführung lösen wir Verträge auf. Dies ist nicht unser angestrebtes Ziel, unterstreicht jedoch, dass wir von unseren Geschäftspartnern die Bereitschaft abverlangen, sich auch ihrerseits der unternehmerischen Verantwortung zu stellen.

Dieser Beitrag gibt nur einen kleinen Einblick in die EnBW-Aktivitäten verantwortlicher Rohstoffbeschaffung. Derzeit prüfen wir im Unternehmen weitere Aktivitäten der EnBW zur konkreten Verbesserung der Lage in Kolumbien. Ich kann Ihnen versichern, dass wir uns auch zukünftig unserer unternehmerischen Verantwortung in der Lieferkette stellen, und lade Sie hiermit zum Dialog hier im Energiewendeblog aber auch jenseits dieser Plattform ein.
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In dieser Reihe erschienen:
Kohle – ein Baustein der sicheren Energieversorgung

Die Steinkohle im Energiemix

Infografik: Der Weg der Kohle
Importkohle aus Kolumbien: Reden ist Silber – Handeln ist Gold

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