Verkehrswende verzweifelt gesucht – was ist regulatorisch notwendig?

Gastautor Portrait

Christopher Engelmann

EnBW AG

Christopher Engelmann ist Senior-Manager im Bereich Wirtschaft, Politik und Gesellschaft im Berliner Büro der EnBW. Er ist dort für die Themen Emissionshandel, Klimapolitik und Elektromobilität verantwortlich. Nach dem Studium der Soziologie hatte er zuvor in verschiedenen Kommunikationsagenturen für Kunden aus dem IT-Bereich gearbeitet. Seine Tätigkeit in der Berliner Repräsentanz der EnBW begann Ende 2005, dort war er bis zu seinem Wechsel in die Energiepolitik für die interne Kommunikation der energiepolitischen Gesetzgebungsprozesse in Deutschland und für die Organisation von Veranstaltungen zuständig.

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13. Dezember 2017

Könnte man die Verkehrswende einfach herbeireden, wäre sie angesichts der Herausforderungen längst zur Realität geworden. Drängende Probleme wie „Dieselgate“, die schlechte Emissionsbilanz des deutschen Verkehrssektors, geringe Anteile alternativer Antriebe oder überfüllte Straßen stehen zur Lösung an. Wird nicht schnell umgesteuert, drohen Fahrverbote und ein spektakuläres Scheitern bei der Erreichung der Klimaziele im Verkehrssektor. Auch die industriepolitische Dimension – Sorgen um die dauerhafte Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Autohersteller gegenüber neuen Konkurrenten in den USA und China – prägt die heimische Diskussion.

Verbrenner behindern nach wie vor die Verkehrswende
Auch wenn die Zulassungszahlen von E-Fahrzeugen langsam steigen, dominieren Verbrenner nach wie vor das Straßenbild.

Ein wichtiger Zukunftsmarkt verspricht die Elektromobilität zu werden: Die direkte Stromnutzung ist deutlich effizienter als herkömmliche Verbrennungsantriebe und verursacht lokal keine Emissionen. Mit weiter wachsenden EE-Anteilen im deutschen Strommix lässt sich in den nächsten Jahrzehnten eine noch bessere CO2-Bilanz erzielen. Wasserstoffmobilität bzw. aus erneuerbaren Energien erzeugte synthetische Kraftstoffe werden mittelfristig ebenfalls bedeutende Rollen spielen, ihr Anwendungsbereich dürfte sich aufgrund des höheren Energiebedarfs allerdings auf den Schwerlastverkehr sowie Schifffahrt und Flugverkehr beschränken.

Elektromobilität: Wo stehen wir heute?

Bislang ist der Durchbruch der Elektromobilität in Deutschland noch nicht erfolgt: Mitte 2017 waren auf Deutschlands Straßen etwa 100.000 vollelektrische Fahrzeuge sowie Plug-in-Hybride unterwegs, ihr Anteil am Gesamtfahrzeugbestand von 45,8 Mio (Stand 01.01.2017) betrug damit etwa 0,2 %. Bei den  Neuzulassungen sah es schon etwas besser aus, hier betrug der Anteil 1,3%. Der Bestand an (halb-)öffentlich zugänglichen Ladepunkten beläuft sich derzeit auf knapp 11.000.

Gründe für den langsamen Markthochlauf – Förderpolitik und regulatorischer Rahmen

Der gebremste Markthochlauf der Elektromobilität in Deutschland ist u.a. durch eine im internationalen Maßstab lange recht zurückhaltende Anschubförderung und unzureichende regulatorische Rahmenbedingungen zu erklären. Die Förderung ist erst mit dem Marktanreizprogramm Elektromobilität (Mai 2016) der Bundesregierung deutlich ausgeweitet worden, was zunehmend auch Marktdynamik entfaltet. Die Kaufprämie für die Anschaffung eines vollelektrischen Fahrzeugs hat z.B. bis Ende November 2017 zu 42.251 Förderanträgen geführt, davon betrafen 24.547 Anträge vollelektrische Fahrzeuge.

Schnellladestationen sind ein Baustein zur Verkehrswende
Über die Förderrichtlinie Ladeinfrastruktur werden Bundesmittel für den Aufbau von Schnellladeinfrastruktur bereit gestellt.

Das Schlüsselthema Infrastruktur wird über die Förderrichtlinie Ladeinfrastruktur mit Bundesmitteln von 300 Mio. € bis 2020 für den Aufbau von Normal- und Schnellladeinfrastruktur adressiert. In diesen Markt ist dadurch spürbar Bewegung gekommen: Bis heute sind bereits Förderanträge im Umfang von etwa 150 Mio € eingegangen, allein die mehrfach überzeichneten ersten beiden Förderaufrufe werden zum weiteren Zubau von gut 20.000 Ladepunkten führen. Damit läuft die Installation von Ladeinfrastruktur dem Fahrzeughochlauf weit voraus.

Bislang hat die Bundesregierung im Fahrzeugsektor auf klare regulatorische Zielvorgaben wie E-Autoquoten oder ein fixes Enddatum für die Zulassung von Verbrennungsmotoren verzichtet. In anderen Ländern ist dies anders: So sollen etwa in Norwegen ab 2025 keine Verbrennungsmotoren mehr neu zugelassen werden. In den Niederlanden und Indien wurde 2030 als Enddatum für Verbrennungsmotoren fixiert. Frankreich und Großbritannien haben sich auf 2040 festgelegt und China will ab dem Jahr 2019 eine verbindliche E-Autoquote (10%, im Jahr 2020 sollen es 12% sein) vorschreiben.

Was ist regulatorisch für die Verkehrswende notwendig?

Die deutschen Klimaziele im Verkehr markieren den dringenden heimischen Handlungsbedarf: Seit 1990 stagnieren die Emissionen und sind zuletzt sogar wieder gestiegen. Das ist die schlechteste Bilanz aller Sektoren. Der Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung verlangt ein deutlich höheres Tempo: Er legt fest, dass bis 2030 im Verkehr 40-42% Emissionen eingespart werden müssen. Weiterer Handlungsdruck besteht infolge der hohen Feinstaub- und Stickoxidbelastung urbaner Zentren.

Die EnBW unterstützt die Bundesregierung bei der Umsetzung der deutschen Klimaschutzziele und beim schnelleren Umbau des Verkehrssektors in Richtung emissionsarmer Antriebe. Aus Sicht der EnBW kommen dazu v.a. folgende Maßnahmen in Betracht:

Fahrzeugsektor/ Anreize

  • Klare politische Zielvorgaben prüfen (z.B. E-Autoquote, Verschärfung CO2-Grenzwerte), um Marktakteuren Planungssicherheit zu verschaffen
  • Höhe von Steuern und Abgaben stärker am realen CO2-Ausstoß und nicht an theoretischen Messwerten ausrichten (ggf. Bonus-Malus-Konzept einführen)
  • Anreize für Umrüstung bestehender kommunaler/öffentlicher und firmeneigener Flotten schaffen (Dienstwagenbesteuerung ökologisch ausrichten, ggf. Sonder-AfA.

Ladeinfrastruktur

  • Mit der Förderrichtlinie Ladeinfrastruktur begonnene Förderung verstetigen und auf Privatsektor ausweiten
  • Bedarfsgerechte Kombination verschiedener Ladelösungen schaffen:
    • Normalladelösungen für Anwendungen mit längeren Standzeiten fördern: beim Arbeitgeber, zu Hause, beim Einkaufen
    • Anteil der geförderten Schnellladelösungen für den (halb-)öffentlichen Raum sukzessive erhöhen (z.B. Schnelllade-Hubs in Städten, an Autobahnen und Verkehrsknotenpunkten) -> höherer Nutzerkomfort durch verringerte Ladedauer, bessere Integration der E-Mobilität in Alltag.
  • Hemmnisse im Mietrecht und Wohneigentumsrecht abbauen: Einbau von privaten Ladestationen in Neubauten und Bestand für Privatpersonen vereinfachen.

Netzinfrastruktur

  • Netze gezielt und effizient für Elektromobilität verstärken und Investitionen erleichtern
  • Netzengpässen bei gleichzeitigem Abruf sehr hoher Ladeleistungen vorbeugen:
    • Steuerung der Ladeleistung und Nutzung von Flexibilitäten über Neuregelung §14 a EnWG ermöglichen
    • Engpasssituationen im Netz durch temporären Einsatz alternativer Betriebsmittel wie Speicher zeitlich überbrücken
  • Standardisierte Prozesse für Netzanschlussbegehren von Ladeinfrastruktur einführen

Die EnBW arbeitet selbst intensiv am deutschlandweiten Aufbau von Schnellladestationen an den deutschen Autobahnen: Bis Ende dieses Jahres will die EnBW an 119 Autobahnstandorten Schnellladesäulen betreiben, bis Ende 2020 sollen es im Bundesgebiet 1000 Standorte an Autobahnen und Verkehrsknotenpunkten sein. Bis zum Jahr 2025 sollen zudem 500 Mio. € Investitionsmittel in die Ertüchtigung der notwendigen Netzinfrastruktur im Gebiet der Netze BW fließen.

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