War watt? Energieeffizienz: Vernunft verliert gegen Lobby

Gastautor Portrait

Hubertus Grass

Kolumnist

Nach Studium, politischem Engagement und Berufseinstieg in Aachen zog es Hubertus Grass nach Sachsen. Beruflich war er tätig als Landesgeschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen, Prokurist der Unternehmensberatung Bridges und Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden. 2011 hat er sich als Unternehmensberater in Dresden selbständig gemacht.

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07. April 2017
Klimaschutz in der EU

Pacta sunt servanda. Bei der Einführung der Pkw-Maut hat der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer die Koalitionspartner mit Nachdruck an den alten römischen Rechtsgrundsatz erinnert. Bei anderen Themen scheint die Einhaltung des Koalitionsvertrages nicht gleichermaßen wichtig zu sein. Zum Beispiel in der Energie- und Klimapolitik. So heißt es auf Seite 38 des Vertrages: „Das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz wird auf der Grundlage des Erfahrungsberichts und in Umsetzung von europäischem Recht fortentwickelt sowie mit den Bestimmungen der Energieeinsparverordnung (EnEV) abgeglichen.“

Anders als die Maut wird dieser Teil des Koalitionsvertrages jedoch unerledigt bleiben. Denn in dieser Woche beerdigte die große Koalition das Gebäude-Energie-Gesetz (GEG). Die CDU/CSU Bundestagsfraktion sah sich außer Stande, auf der Grundlage des Referentenentwurfes zu einer Einigung mit der SPD zu kommen. Das GEG wurde das Opfer übereifriger Wahlkämpfer. Die Vernunft muss hinten anstehen.
Dabei ist das GEG alles andere als ein Randthema. Hier geht es um die Umsetzung der EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden. Ein lange vernachlässigtes Feld des klimapolitischen Handelns.

Diskussionsfähiger Entwurf

Mit dem Gesetz will man

  • Energieeinspargesetz (EnEG), Energieeinsparverordnung (EnEV) und Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) in einem Gesetz vereinheitlichen.
  • die DIN V 18599 „Energetische Bewertung von Gebäuden – Berechnung des Nutz-, End- und Primärenergiebedarfs für Heizung, Kühlung, Lüftung, Trinkwarmwasser und Beleuchtung“ neu regeln
  • den energetischen Standard eines „Niedrigstenergiegebäudes“ für Neubauten der öffentlichen Hand ab Anfang 2019 definieren – nicht die Standards fürs private Bauen!!
  • ein „Bonus-System“ für die Nutzung von Erneuerbaren Energien auf Gebäude- oder Quartiersebene einführen,
  • eine neue Festlegung der Primärenergiefaktoren unter Berücksichtigung individueller Nachhaltigkeitskriterien für jeden Energieträger

Der Entwurf des Gesetzes wurde in der Fachöffentlichkeit und von den Verbänden tendenziell als gute Grundlage für die weitere Beratung bewertet. BDI und BDEW sowie die Allianz für Gebäude-Energie-Effizienz (geea) hatten unterschiedliche Kritikpunkte. Da sei noch „Luft nach oben“. Doch unisono betonten sie die Notwendigkeit, dass möglichst bald eine einheitliche Rechtsgrundlage Bauherren, Handwerker, Planer, Behörden und Industrie das Bauen vereinfache. Die Deutsche Energieagentur, dena, hatte in ihrem Gebäudereport unlängst festgestellt, dass der Handlungsdruck wie auch das Potenzial zur energetischen Sanierung hoch seien; die Sanierungsraten ließen seit Jahren zu wünschen übrig. Vom neuen Gesetz erhoffte sich die dena mehr Schwung.

Energieeffizienz: Vernunft verliert gegen Lobby.
Hehre Worte im Koalitionsvertrag. In der Realität ist im Bausektor nicht viel passiert und die Wärmewende in dieser Legislatur gescheitert.

Vernunft verliert gegen Lobby

Für den Klimaschutz ist das Scheitern des GEG ein herber Rückschlag. Holger Lösch, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung, bewertete es wie folgt: „Verbraucher und Investoren verlieren wertvolle Zeit. Damit muss die Energiewende weiter auf die Wärmewende warten.“ Warum wurde das im Koalitionsvertrag verabredete Gesetz auf den letzten Metern aus dem politischen Rennen geworfen? In der Bundestagsfraktion von CDU/CSU hatten die Abgeordneten Michael Fuchs, Georg Nüßlein und Joachim Pfeiffer zunächst mit einem Brief vom 9. Februar bei Kanzleramtschef Peter Altmaier interveniert.  Als das federführende Bundesumweltministerium ihre Einwände nicht in das Gesetz übernahm, konnten sich die Herren in ihrer Fraktion durchsetzen.

Auf welche Argumente stützen sich die Parlamentarier? Die Klimaretter veröffentlichten den Brief der Parlamentarier an das Kanzleramt. Wer die Argumente dort mit denen der Stellungnahme der Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft Deutschland, BID, dem Lobbyverband der Wohnungswirtschaft vergleicht, wird feststellen: Sie sind gleich. Der Einfachheit halber haben die Bundesratsabgeordneten die Argumentation des Verbandes einfach übernommen. Politik kann manchmal so einfach sein.

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