Die Welt der E-Mobilität bleibt zweigeteilt

Gastautor Portrait

Christian Malorny

McKinsey

Christian Malorny ist Direktor im Berliner Büro der Unternehmensberatung McKinsey & Company, Autoexperte und Autor des Electric Vehicle Index. Malorny hat Maschinenbau studiert und leitet den europäischen Maschinenbausektor von McKinsey. Er beschäftigt sich vor allem mit den Themen Innovation und Wachstum.

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25. März 2015
E-Mobilität, Energiewende, EVI

Die Automobilindustrie befindet sich mitten in der größten Umwälzung in ihrer mehr als 125-jährigen Geschichte. Alle Prognosen zeigen: Auch in den nächsten Jahrzehnten wird das Auto seinen globalen Siegeszug fortsetzen. Doch wie dieses Auto aussehen wird, wie es mit der Außenwelt vernetzt sein wird, was es kann, welcher Antrieb unter der Motorhaube steckt und wie es die zunehmend strengen Anforderungen an Umweltfreundlichkeit und Sicherheit erfüllen wird – dies ist weit weniger klar.

Das Elektroauto hat zweifelsohne das Potential, dieses Auto für das 21. Jahrhundert zu sein. Doch der Übergang zur „neuen Mobilität“ wird nicht über Nacht erfolgen, sondern sich graduell vollziehen.
Um diesen Übergang zu messen und zu untersuchen, wo die wichtigsten Länder bei der E-Mobilität stehen, hat McKinsey & Company 2010 den vierteljährlich erhobenen Electric Vehicle Index (EVI) ins Leben gerufen. Mit diesem Instrument können wir ablesen, welcher Markt am weitesten entwickelt ist – d.h. wo die Nachfrage nach E-Autos bereits eine kritische Größe erreicht hat – und wie die Industrie in den wichtigen Automobilnationen dasteht.

E-Mobilität anreizen – aber wie?

Die aktuellen Ergebnisse vom Februar 2015 zeigen: Die Welt der E-Mobilität bleibt zweigeteilt. Während klassische Autoländer wie Japan und Deutschland auf der Industrieseite führen, sind die Märkte für Elektromobilität in kleineren Ländern wie Norwegen und den Niederlanden am weitesten entwickelt.
Kein Land kann sich in der E-Mobilität bis jetzt entscheidend absetzen. Staaten mit großen Kaufanreizprogrammen und guter Infrastruktur wie Norwegen und die Niederlande stehen auf der Marktseite hervorragend da. Bis zu 15.000 Euro direkter und indirekter Subventionen erhalten Käufer von E-Fahrzeugen beispielsweise in Norwegen – das reicht für einen Marktanteil von über 11 Prozent. Eine Nachfrageförderung kann also durchaus sinnvoll sein, um den Markt anzuschieben und so die E-Mobilität für die Bürger erfahrbar zu machen. Allerdings ist dies ernsthaft nur eine Option für Länder ohne eigene Autoindustrie. Diese Länder können die Absatzförderung wieder leicht zurückfahren – ohne Konsequenz für die eigene Industrie. Anders in Ländern mit einer starken Autobranche: Es ist heute kaum vorhersagbar, zu welchem – volkswirtschaftlich optimalen – Zeitpunkt die öffentliche Hand die Absatzförderung zurückfahren sollte. Ganz abgesehen von der Frage, ob Automobilhersteller die enormen Investitionen in Entwicklung von Fahrzeugen und Fabriken von temporären Förderprogrammen abhängig machen sollten.

E-Mibilität, Energiewende, EVIDie klassischen Autonationen punkten auf der Industrieseite. Japan führt bei der Herstellung wichtiger Komponenten wie E-Motoren und Batterien, während Deutschland in den kommenden Jahren mit Abstand das größte Herstellerland für E-Autos werden wird. Mit einem Anteil von 34 Prozent an der weltweiten E-Auto-Produktion (rund 670.000 Fahrzeuge) kann Deutschland im Jahr 2019 mit Abstand größter Produktionsstandort werden. Wie bei den Fahrzeugen mit konventionellen Antrieben sind wir also auch in der E-Mobilität ein klassisches Exportland.

Deutschland bei Modellvielfalt top, bei Infrastruktur noch nicht

Mittelfristig gilt es aber, den heimischen Markt ebenfalls Stück für Stück zu entwickeln. Schon jetzt ist Deutschland das Land mit der größten Modellvielfalt, die Käufer können hierzulande aus einer breiten Palette wählen: Vom elektrischen Kleinwagen wie dem VW e-up bis zum Tesla Model S. Mit knapp über 2.000 öffentlich verfügbaren Ladepunkten liegt Deutschland bei der erforderlichen Infrastruktur international jedoch nur im Mittelfeld. Nicht-monetäre Anreize wie freies Parken in Innenstädten oder die Nutzung von Busspuren könnten der E-Mobilität daher noch einen zusätzlichen Schub geben.
Wir müssen in Deutschland ein positiveres Klima für E-Fahr­zeuge schaffen und den Nutzern einen emotionalen Mehrwert bieten. Die Voraussetzung sollten stimmen: Deutsche Autohersteller können hochwertige Fahrzeuge bauen. Und nach allem, was wir aus der Kundenforschung wissen, möchten Kunden auf ihr Auto stolz sein – es soll „premium“ sein.

 

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