War watt? Weltklimavertrag ohne Folgen

Gastautor Portrait

Hubertus Grass

Kolumnist

Nach Studium, politischem Engagement und Berufseinstieg in Aachen zog es Hubertus Grass nach Sachsen. Beruflich war er tätig als Landesgeschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen, Prokurist der Unternehmensberatung Bridges und Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden. 2011 hat er sich als Unternehmensberater in Dresden selbständig gemacht.

weiterlesen
24. März 2016
War watt? ist die energiepolitische Kolumne von Hubertus Grass. Hier geht es um die Energiewende. Wie bekommen wir die gut hin?

Erinnern Sie sich noch? Damals in Paris einigten sich 196 Staaten auf einen ambitionierten Weltklimavertrag. Völlig überraschend kamen die Teilnehmer der Konferenz überraschend überein, das Klima deutlich unter der Schwelle einer Erwärmung von zwei Grad zu halten. Diese Überraschung liegt jetzt mehr als drei Monate zurück und schon scheint sie in Vergessenheit zu geraten. Gibt es Impulse für die deutsche Politik?

Erwartungsgemäß war das abgelaufene Jahr wieder das wärmste Jahr der Geschichte; damit liegen 13 der 15 wärmsten Jahre, die je gemessen wurden, in unserem noch jungen Jahrtausend. 2015 war aber auch das Jahr, in dem die Treibhausgasemissionen in Deutschland erneut anstiegen. Wiederum musste das Bundesumweltamt konstatieren, dass die Entwicklung der CO2-Emissionen im Verkehrssektor auch in 2015 die falsche Richtung eingeschlagen hat: Sie sind gestiegen. An den Skandal, dass die Politik sich seit 20 Jahren unfähig zeigt, im Verkehr eine Trendumkehr bei den Treibhausgasemissionen zu erreichen, haben wir uns schon gewöhnt. Ähnlich sieht es in der Landwirtschaft aus, wo steigende Tierbestände und die künstliche Düngung alle anderen Maßnahmen für den Klimaschutz zunichte machen, während die  Lippenbekenntnisse der zuständigen Minister in Sachen Nachhaltigkeit und Klimaschutz Jahr für Jahr erneuert werden.

Fortschritte beim Klimaschutz nur gegen Bares?

„Politik ist ein schmutziges Geschäft.“ Offensichtlich trifft dieser Stereotyp beim Klimaschutz den Nagel auf den Kopf. Weil der Verband der Automobilbauer, der Deutsche Bauernverband, der BdEW, die Gewerkschaften Verdi und IGBCE beim Klimaschutz mauern, was das Zeug hält, gibt es Fortschritt beim Klimaschutz nur noch gegen Geld.  Der Weltklimavertrag von Paris ist ohne Einfluss: Die Umweltpolitiker in der Regierung haben alle Hände voll damit zu tun, den Beschluss der Bundesregierung aus dem Jahre 2007, die Verringerung der deutschen CO2-Emissionen um 40 Prozent bis 2020, umzusetzen.
Fortschritte beim Klimaschutz gibt es nur dann, wenn die Bundesregierung direkt mit harter Münze zahlt. Das ist zuletzt geschehen, als Wirtschafts- und Energieminister Gabriel einen Teil der Überkapazitäten bei den Braunkohlekraftwerken in die (völlig unnötige) Reserve übernahm und 1,6 Milliarden Euro für diesen Deal auf den Tisch legte. Einen ähnlichen Betrag, die Rede ist von zwei Milliarden, wird die Bundesregierung wohl den Autobauern in den (bereits vollen) Hals werfen, wenn sie sich zu  einer unsinnige Kaufprämie für Elektroautos durchringen wird, um das selbst gesteckte Ziel, bis 2020 eine Millionen E-Fahrzeuge auf die Straße zu bringen, doch noch zu erreichen.

Weltklimavertrag, BWEWas in Deutschland nicht mehr funktioniert, soll in anderen Staaten klappen: Mehr Beschäftigung, mehr Wachstum und gleichzeitig mehr Klimaschutz gehen zusammen, wenn der Ausbau der Erneuerbaren Energien schneller voranschreitet. Das sehen jedenfalls die Chefs der Internationalen Energieagentur IEA, Fatih Birol, und der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien Irena, Adnan Amin, so.  Auf einer internationalen Energiewendekonferenz in Berlin machten die deutschen Minister schönes Wetter für den Klimaschutz, der bei uns mächtig durchhängt.
Dabei gäbe es hinreichend Möglichkeiten, den Geist des Weltklimavertrages auch in Deutschland wieder zu beleben. Warum nicht bei der EEG-Novelle ansetzen? Doch das, was in Gestalt eines Eckpunkte-Papiers derzeit vorliegt, erinnert mehr an einen sozialistischen Fünf-Jahresplan zur Bekämpfung wirtschaftlicher Innovationen als an modernen Klimaschutz. Ist es da ein Wunder, dass der Widerstand gegen die EEG-Novelle breiter ist als jemals zuvor? Der Bundesverband Windenergie vereinte unter seinem Positionspapier so unterschiedliche Player wie die Bochumer Genossenschaftsbank GLS und die EnBW AG im Verein mit 47 Herstellern, Zulieferern, Projektentwicklern, Betreibern, diversen Netzwerke und Verbänden der deutschen Windindustrie. Gegenwind gegen die EEG-Novelle kommt nach wie vor von der Bürgerenergie; die Solarbranche, deren Geschäfte in Deutschland ohnehin am Boden liegen, sieht weder Impulse noch neue Einschnitte. Kann man damit schon zufrieden sein?

Weltklimavertrag ohne Einfluss auf deutsche Politik

Was bedeutet der Beschluss von Paris für die deutsche Politik? H. J. Fell schreibt dazu: „In Paris wurde mit Zustimmung der Bundesregierung beschlossen, die Erderwärmung möglichst schon bei 1,5 ° C zu stoppen. Was das bedeutet, hat kürzlich das New Climate Institut berechnet. Ab 2035 darf es weltweit keine Klimagasemissionen mehr geben. Die Industrienationen wie Deutschland müssten daher z.B. im besonders emissionsstarken Energiesektor spätestens 2030 auf 100% Erneuerbare Energien umgestellt haben – wohlgemerkt in allen Energiesektoren, nicht nur bei Strom“.

 

Bei dieser Koalition und diesem Wirtschafts- und Energieminister darf man weder beim Klimaschutz, noch in der Industrie- und Wettbewerbspolitik solch hohe Ansprüche stellen. Wir beobachten eine Politik, die ohne große Ambitionen die bestehenden Strukturen zu verteidigen sucht und der es an Mumm fehlt, sich mit den mächtigen Sachverwaltern des Status quo anzulegen. Am Ende werden bei einer solchen Politik alle verlieren:

  • Die Strukturen von gestern und ihre Verteidiger, weil ihre Zeit ohnehin gekommen war.
  • Die Erneuerbaren und die innovativen Unternehmen, weil auf dem Heimatmarkt kein Platz war und die Wettbewerber aus dem Ausland sich besser entwickeln konnten.
  • Der Klimaschutz, weil er nach Jahren der Untätigkeit mehr braucht als die zweit- oder drittbeste Lösung.

Die Euphorie um den Weltklimavertrag ist verflogen. Der Alltag in der Berliner Politik bleibt so grau wie er war. Wie gut, dass zu Ostern wenigstens die Eier schön bunt sind.

Die Redaktion und ich wünschen Ihnen ein gesegnetes Osterfest.Ostern2

Diskutieren Sie mit

  1. Karin Aufhammer

    vor 8 Jahren

    Die EEG-Umlage ,die Netzgebühren und die entsprechende Mehrwertsteuer bremsen die Energiewende und verteuern in einer Preisspirale die immer mehr sinkenden Stromkosten der Leipziger Börse. Folge: Der Endverbraucher entzieht sich diesem Paradoxon, indem
    er in umweltschädliche Energiegewinnung flüchtet, die sogar subventioniert werden. Der Staat macht es ihm vor: Elektroautos fahren zwar nur mit grauem Strom, sollen aber, mit einem Preisnachlass von 5000 € subventioniert werden.
    Lösung: EEG-Umlage, Netzgebühren und anhängende Mehrwertsteuer gehören in die Verantwortung des Staates als Hüter der Gemeinwohlaufgabe Energiewende. Das Handlungsorgan des Staates ist die Steuer..
    Basis der Diskussion: Die im Februar 20016 erschienene Veröffentlichung der Humboldt-Universität zu Berlin : Rechtwissenschaftliche Analyse zum Fördersystem des Erneuerbare-Energien-Gesetzes
    auf dem Prüfstand des Verfassungs-und Europarechts von Prof.Dr. Hans-Peter-Schwintowski.

    Wollen wir von dem gewinnorientierten Investitionsmodell der Energiewende hin zum Umweltmodell, bedarf es eines durchgreifenden politischen Willens.

  2. Windmüller

    vor 8 Jahren

    Ich würde das Thema differenziert sehen. Wir haben weltweit Fortschritte erzielt, die vor 10 Jahren noch völlig undenkbar gewesen wären. Wo wir noch mehr Dampf brauchen, ist bei der Energiewende im Heizungsbereich sowie im Verkehr.

Ich akzeptiere die Kommentarrichtlinien sowie die Datenschutzbestimmungen* *Pflichtfelder

Artikel bewerten und teilen

War watt? Weltklimavertrag ohne Folgen
5
3