War watt? Wie viel Zukunft gehört dem Gas? (Teil 1)

Gastautor Portrait

Hubertus Grass

Kolumnist

Nach Studium, politischem Engagement und Berufseinstieg in Aachen zog es Hubertus Grass nach Sachsen. Beruflich war er tätig als Landesgeschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen, Prokurist der Unternehmensberatung Bridges und Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden. 2011 hat er sich als Unternehmensberater in Dresden selbständig gemacht.

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13. Juli 2017
Klimaschutz in der EU

In der letzten Woche haben wir einen Beitrag von Alexander Land über einen Appell der Gaswirtschaft an die Politik veröffentlicht. Offenbar fürchten die Unternehmen, dass die Zukunft des Energiesystems langfristig ohne den Energieträger Gas geplant werden könnte. In gleicher Richtung scheint Greenpeace Energy zu denken. Mit einer Studie wies der Ökostromanbieter dieser Tage nach, dass die vorhandene Gasinfrastruktur und vor allem die großen Speicherkapazitäten unverzichtbar sind, um bei Extremwetterlagen die Verlässlichkeit der Energieversorgung zu garantieren. Worauf zielen die Anstrengungen der Gaswirtschaft ab? Hat Gas eine Zukunft in einem Energiesystem, das zu 100 Prozent dekarbonisiert ist?

Klimaschutz funktioniert im ersten Schritt mit Erdgas

Mittelfristig, darin sind sich alle Analysten einig, wird sich der Anteil von Erdgas am Energieverbrauch erhöhen. Durch den schrittweisen Ausstieg aus der Kohleverstromung und die Abschaltung der letzten Atomkraftwerke wird die Bedeutung von Gaskraftwerken im Stromsektor wachsen. Zudem kann der Fuel-Switch von Kohle zu Gas bis zu 50 Prozent Die Zukunft ist CO2-freiCO2-Emissionen einsparen und somit zum Erreichen der Klimaschutzziele beitragen. Laut Klimaschutzplan der Bundesregierung muss der Stromsektor bis 2030 eine CO2-Reduktion von über 175 Millionen Tonnen bringen. Das verlangt zwingend nach der Kombination von Kohleausstieg und einer parallelen Erhöhung des Backup-Potenzials der flexiblen Gaskraftwerke.
In der Industrie steht eine Reduktion bis 2030 um weitere 140 Millionen Tonnen CO2 an. Auch das wird nur durch den verstärkten Einsatz von Erdgas möglich sein. Und auch im Gebäudesektor geht es nicht ohne Erdgas. Die Studie von Agora Energiewende zur Wärmewende bis 2030 prognostiziert einen Gasanteil von 40 Prozent im Sektor Gebäudeenergie.

Ist die Zukunft von Gas befristet?

Aber wie geht es weiter in den Jahren nach 2030? Wird das goldene Zeitalter für den Energieträger Gas nur von kurzer Dauer sein? Denn obwohl die Klimabilanz von Erdgas wesentlich besser ist als die von Kohle und Öl, bleibt Erdgas ein fossiler Energieträger. Deshalb wird die Renaissance von Erdgas oder CNG nur eine kurze sein. Wie aber steht es um die klimaneutrale Verwandtschaft? Spielt die Option Wind- oder Ökogas (Power-to-Gas/Liquid-Techniken) in den Zukunftsszenarien über 2030 hinaus noch eine Rolle?
Folgt man den Einschätzungen der Deutschen Energieagentur braucht sich die Gaswirtschaft um ihre Zukunft nicht zu sorgen. In der Studie der Dena heisst es: „Power to Gas ist die einzige heute verfügbare Technologie, die sowohl eine Langfristspeicherung von erneuerbarem Strom ermöglicht als auch dessen Nutzbarmachung in allen anderen Energieverbrauchssektoren. Beides ist im Kontext des Pariser Klimaschutzabkommens besonders wichtig.“


Die Zukunft der WärmewendeAufgrund der zurzeit noch hohen Kosten sehen andere Studien langfristig die Power-to-Gas- Technologie eher auf dem Abstellgleis. Agora sieht in der Mitte dieses Jahrhunderts eine Gebäudewirtschaft, deren Energiebedarf vorrangig durch Strom (Power-to-heat) gedeckt wird. Schon für 2030 wird eine sogenannte „Wärmepumpenlücke“ von vier Millionen Stück prognostiziert. (Studie Agora zur Wärmewende 2030) In diesen Modellen bedeutet Sektorkopplung  ausschließlich eine Vollelektrifizierung der Bereiche Wärme und Mobilität. Für erneuerbares Gas, wie es gegenwärtig vielfältig erprobt und auch angewendet wird, gibt es in diesen Modellen keinen Platz.

Erste Vorentscheidungen bei der Regierungsbildung in diesem Jahr

Bislang ist bei der Wärmewende noch nicht allzu viel passiert. Doch wenn Deutschland seinen Teil dazu beitragen will, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens in reale Politik umzusetzen, dann muss die nächste Bundesregierung liefern. Dann sind Weichen zu stellen für das Energiesystem der Zukunft. Und diese Vorentscheidungen können gravierende ökonomische Auswirkungen für die Konsumenten, aber auch für die Energiewirtschaft haben. Deshalb wird die Frage nach der Zukunft der Gasversorgung im gegenwärtigen Bundestagswahlkampf zur rechten Zeit in die Debatte geworfen.

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Den zweiten Teil des Beitrages finden Sie hier.

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  1. Felix

    vor 2 Wochen

    sei leise Gas ist schlecht

  2. Windmüller

    vor 7 Jahren

    Ich denke, Gas ist für die Energiewende unverzichtbar.Gas hat bei Neubauten unschlagbare Vorteile. Wenn ich heute ein neues Haus baue, dann ist der Energieverbrauch wegen guter Dämmung ja recht gering. Dann ist Gas Brennwert mit solarer Heizungsunterstützung eine Alternative zur Wärmepumpe. Wenn ich eine Pelletheizung nehme, dann schlägt sie von den Kosten zunächst brutal zu Buche. Dann kommt aber hinzu, dass Holz- oder Pelletkessel 35 bis 60 Liter Wasserinhalt haben, die erst auf 60° erwärmt werden müssen, bevor die Kesselwasserpumpe startet. (das ist nötig, um Kesselkorrosion zu vermeiden ) Bei Gasbrennwert lege ich sofort los, dann wären die besagten Wassermengen schon warm. Hinzu kommt die Brennwertnutzung. Es gibt auch Pelletkessel mit Brennwert, da muss aber der Wärmetauscher täglich mit Leitungswasser gespült werden, um Asche zu entfernen. Und was die Stickoxid-, Kohlenmonoxid- und Feinstaubwerte angeht, ist Gas auch spitze.

  3. Doro

    vor 7 Jahren

    Ich fahre einen A3 g-tron, der mit power-to-gas betrieben wird. Ich bin überzeugt davon. Keine Partikel, 17g CO2/km , wenn ich das Nutzen von e-gas mit einberechne. Viel weniger NOx als ein Benziner ,vom Diesel spreche ich da gar nicht. So kann ich überschüssigen Windstrom beliebig lang speicherbar machen. Und was macht die Politik? Jede Menge Steuern drauflegen, damit es auf jeden Fall unrentabel ist, diese Anlagen zu betreiben. So steigt nie ein Investor ein. Aber das ist ja gewollt, damit die Braunkohle für den Strom der E-Fahrzeuge weiterhin benötigt wird. Wann fahren die Leute am meisten Auto? Im Winter. Da ist es lang dunkel und auch noch trüb. Da verkauft sich Braunkohlestrom am besten. Und damit man genug davon bekommt, braucht es die drei Gleichstromtrassen, von denen zwei in Braunkohlegebiete gehen. Im ersten Schritt.... Wie Die Grünen sich für die Umstellung auf reine Elektrofahrzeuge einsetzen können, ist mir ein Rätsel, außer es ginge nur um momentane Umfragewerte.

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